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Wie Raumgestaltung, Pädagogik und Partizipation die Schule der Zukunft formen

Ein Interview mit Timo Schlosser, Referent und Berater für pädagogischen Schulbau am Pädagogischen Landesinstitut Rheinland-Pfalz, beleuchtet die tiefgreifenden Veränderungen im Schulbau infolge der neuen Schulbaurichtlinie des Landes, die seit Dezember 2023 gilt. Diese Richtlinie markiert den Übergang von starren Raumvorgaben hin zu einem flexiblen Flächenprogramm, das Schulen ermöglicht, ihre pädagogischen Konzepte räumlich umzusetzen. Ziel ist es, Schulgebäude stärker an die tatsächlichen Lern- und Lebensbedürfnisse ihrer Nutzer anzupassen.

Schlosser betont, dass diese neue Freiheit zugleich Partizipation erfordert: Schulträger, Lehrkräfte, Eltern und Schüler sollen gemeinsam Konzepte entwickeln, die anschließend von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) auf pädagogische und bauliche Plausibilität geprüft werden. Der Prozess ist komplex, da finanzielle, pädagogische und genehmigungsrechtliche Interessen miteinander abgestimmt werden müssen. Der Leitgedanke lautet: *„möglichst viel gute Schule pro Euro“*.

Ein zentraler Aspekt moderner Schularchitektur ist laut Schlosser die Mehrfachnutzung von Räumen. Statt klassischer Trennung zwischen Unterrichts- und Ganztagsbereichen werden multifunktionale Räume geschaffen, die flexibel verschiedenen Lernformen dienen. Besonders im Bestand müssen dabei Lösungen für Brandschutz, Energieeffizienz und Klimaanpassung gefunden werden – etwa durch intelligente Lüftungssysteme, Beschattung oder die Umgestaltung von Außenflächen zu lebenswerten Lernorten.

Schlosser beschreibt einen grundlegenden Paradigmenwechsel im Schulbau: weg vom festen Klassenraum hin zu funktionsorientierten Raumkonzepten. Ähnlich wie in modernen Büros werden Räume nach Tätigkeiten geplant – etwa für Gruppenarbeit, Präsentationen oder konzentriertes Arbeiten. Beispiele wie das „Churer Modell“ verdeutlichen diesen Ansatz, der jedoch akustische und organisatorische Herausforderungen mit sich bringt.

Auch die Lehrkräfte stehen im Fokus: Angesichts längerer Präsenzzeiten im Ganztag benötigen sie Rückzugsorte und funktional differenzierte Arbeitsbereiche. Moderne Lehrerzimmer sind daher in Funktionszonen gegliedert – von ruhigen Arbeitsräumen über Kommunikationszonen bis hin zu Entspannungsbereichen. Der Raiffeisen-Campus in Dernbach dient Schlosser dabei als gelungenes Beispiel.

Die Digitalisierung wirkt als zusätzlicher Treiber für flexible Lernräume. Möbel sollen leicht umstellbar und von Schülern selbst veränderbar sein. Beispiele sind modulare Quader, variable Tische oder mobile Arbeitsstationen, die auch Flure und Treppenbereiche in Lernräume verwandeln. Solche Konzepte müssen nicht zwangsläufig teurer sein, da multifunktionale Möbel langfristig Kosten sparen.

Schlosser beschreibt die Wünsche der Schülerinnen und Schüler als ambivalent: Sie wünschen sich sowohl Rückzugsräume als auch Orte für Bewegung und soziale Interaktion – Bedürfnisse, die sich mit jenen der Lehrkräfte decken. Der klassische Klassenraum bleibt zwar als „Heimatraum“ wichtig, wird jedoch zunehmend durch flexible Nutzungsformen ergänzt. Damit geht eine Neuorganisation von Raum- und Zeitstrukturen einher, die auch pädagogisch getragen werden muss. Schlosser empfiehlt, neue Konzepte zunächst im Bestand zu erproben, bevor größere Neubauten umgesetzt werden.

Insgesamt zeichnet das Interview das Bild einer zukunftsorientierten, partizipativen und pädagogisch fundierten Architektur, die Lernen, Arbeiten und Wohlbefinden in Einklang bringen will. Schulbau wird damit zu einem kulturellen und sozialen Aushandlungsprozess, der über die reine Gebäudeplanung hinausgeht.

Literatur

News4teachers (2024, 15. März). Schulen der Zukunft brauchen mehr als Klassenräume: Wie Architektur und Pädagogik zusammenfinden können – ein Interview mit Timo Schlosser. News4teachers.
WWW: https://www.news4teachers.de/2024/03/schulen-der-zukunft-brauchen-mehr-als-klassenraeume-wie-architektur-und-paedagogik-zusammenfinden-koennen-ein-interview/


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