So positiv und fortschrittlich Maria Montessoris Ansatz zu ihrer Zeit innovativ war und so heute immer noch wahrgenommen wird, war letztlich ihr erklärtes Ziel, das perfekte Kind zu erschaffen, d. h., es sollte nicht nur intellektuell und moralisch, sondern auch körperlich vollkommen sein. Nach Darstellung von Seichter (2024) suchte Montessori Verbündete von Hitler bis Mussolini, wobei sie sich intensiv mit Eugenik und der Rassentheorie beschäftigt hat bzw. auch den Ideen des Faschismus gegenüber nicht abgeneigt war. Das perfekte Kind ist für Montessori das Kind einer perfekten Rasse und diese perfekte Rasse ist der Inbegriff und das Narrativ des weißen europäischen Mannes. „Sie stellt sich ständig griechische Schönheitsstatuen vor, die körperlich makellos sind, ästhetisch vollkommen. Und ihr Traum, ihre Vision, fast schon Obsession war es nun, aus diesen Statuen, die in Marmor gehauen sind, das Kind aus Fleisch und Blut zu erzeugen, zu züchten, also ein Kind, das perfekt ist.” Für dieses perfekte Kind hat sie Propaganda gemacht und dafür hat sie Verbündete gesucht, von denen sie glaubte, dass sie die einzigen seien, die ihr helfen könnten, ein solches Kind zu produzieren.“
Zur Zeit des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges befand sich Maria Montessori in Indien, wo sie bis 1949 blieb, ehe sie dann nach Europa zurückkehrte. Von ihren Ideen ist sie auch nach dem Ende des Faschismus in Italien und Deutschland nicht abgerückt, denn noch kurz vor ihrem Tod befürwortete sie die Errichtung eines Ministeriums zur Verbesserung der menschlichen Rasse. „Weil sie überzeugt war, dass es nach wie vor einer politischen Steuerung bedurfte, um die Reproduktion, also den Nachwuchs eines Landes, zu steuern und zu planen.” Daher ist es nach Seichter grotesk, wenn Montessori von Anhängern ihrer Pädagogik manchmal auch als Vorreiterin der Inklusion betrachtet wird, denn sogenannte ‚anormale‘ Kinder nannte Montessori unverblümt ‚Monster‘ und ‚Parasiten der Gesellschaft‘.
Wie andere reformpädagogische Ansätze hat auch der von Montessori für viele Erziehungswissenschaftler etwas „Dirigistisches“, das die Kinder normieren will.
Literatur
Seichter, S. (2024). Der lange Schatten Maria Montessoris. Der Traum vom perfekten Kind. Weinheim: Beltz.
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