Es gibt zwei verschiedene Arten naturwissenschaftliche Sachtexte durch visuelle Darstellung des Inhaltes zu vereinfachen: mit vorgegebenen Bildern sowie mit selbst generierten Bildern. Der Unterschied zwischen den beiden Möglichkeiten besteht darin, dass beim Lernen mit vorgegebenen Bilderndie passenden Bilder zum Text bereits vorhanden sind. Im Gegensatz dazu müssen beim Lernen mit selbst generierten Bildern die passenden Visualisierungen von den Lernenden selbst erstellt werden.
Lernen mit vorgegebenen Bildern
Durch das Hinzufügen von Bildern zu einem Sachtext soll Schülern/innen dabei geholfen werden, die zum Teil sehr komplexen Texte besser zu verstehen und sich den Inhalt bildlich vorzustellen. Durch die zusätzliche visuelle Darstellung sollen mehrere Kanäle der Lernenden angesprochen und dadurch das Textverständnis vereinfacht werden. Es sind dann daran drei kognitive Prozesse beteiligt: Selegieren, Organisieren und Integrieren, d.h., die Schüler/innen müssen Kerninformationen aus Bild und Text herausfiltern und Zusammenhänge herstellen. Studien zeigen, dass der Effekt förderlich aber auch uneffektiv sein kann. Diverse Faktoren, wie die Lernzeit, sind dabei wichtige Einflussgrößen. Funktionale Bilder wie chemische Formeln in visueller Form sind förderlich, im Gegensatz dazu bringen Bilder, welche nur dekorative Zwecke erfüllen, keinen Erfolg. Der Erfolg ist auch vom Lernenden selbst abhängig, inwiefern er/sie Bild und Text kombinieren kann (vgl. Schwammborn et al., 2010, S. 222).
Lernen mit selbst generierten Bildern
Im Gegensatz zum Lernen mit vorgegebenen Bildern sollen vom Schüler selbst Bilder zu Texten erstellt werden, um den Inhalt besser zu verstehen. Auch hier sind wieder die drei Prozesse Selegieren, Organisieren und Integrieren gefordert. Durch das „erzwungene“ Selbsterstellen eines passenden Bildes, ist das Integrieren des Textes in Bildform am stärksten gefordert. Zusätzlich erhält der Lernende durch das Gestalten der Bilder sogleich eine Rückmeldung, ob er/sie den bearbeiteten Text verstanden hat oder nicht . Der Erfolg beim Lernen mit selbst generierten Bildern konnte empirisch nachgewiesen werden, jedoch zeigen einige Studien, dass die Anweisung, ein Bild zum Text zu erstellen, alleine oft nicht ausreichend ist. Instruktionale Unterstützung durch vorgegebene Bildelemente oder Vergleichsmöglichkeiten fördern hingegen den Erfolg (vgl. Schwammborn et al., 2010, S. 222f).
Es wurden zwei Studien an den 9. Klassen mehrerer Schulen durchgeführt. Bis auf zwei Aspekte waren die Studien ident. Die Schüler/innen wurden zufällig in vier Gruppen eingeteilt und erhielten folgende Aufgaben: a) Text lesen, b) Text lesen und Bildgenerierung, c) Text lesen und Bildpräsentation, und d) Text lesen und Bildgenerierung und Bildpräsentation. Bei der Bildpräsentation wurde zu jedem Texteil ein entsprechendes Bild hinzugefügt, bei der Bildgenerierung wurden bestimmte Bildelemente vorgegeben. Nach dem Lernen wurden ein Behaltens-, sowie ein Verstehens- und Zeichentest durchgeführt. Die Auswertungen wurden anhand von Musterlösungen und Kodierschemata von verschiedenen Beurteilern kontrolliert.
Studie I wurde unter einer bestimmten Lernzeit (30 Minuten) durchgeführt. Die Ergebnisse waren durchaus positiv. Es konnte festgestellt werden, dass Schüler/innen mit vorgegebenen Bildern besser im Behaltens- und Zeichentest abschnitten. Lernende mit selbst generierten Bildern lieferten noch bessere Ergebnisse als mit vorgegebenen Bildern.
Studie II wurde ohne vorgegebene Lernzeit und an nur einem Tag durchgeführt. Die Ergebnisse sind konform der 1. Studie, allerdings konnte festgestellt werden, dass die Schüler/innen mit vorgegebenen Bildern nur noch im Zeichentest besser abschnitten. Desweiteren wurde festgestellt, dass die Ergebnisse mit selbst generierten Bildern ohne Lernzeit im Verstehenstest besser waren. Der Unterschied zwischen den Studien betraf also hauptsächlich die Lernzeit, die einmal vorgegeben und einmal frei von den Lernenden selbst wählbar war.
Es konnte also bestätigt werden, dass der Einsatz von Bildern beim Lernen von naturwissenschaftlichen Sachtexten hilfreich sein kann. Studie I zeigte auf, dass Schüler/innen mit vorgegebenen Bildern besser im Behaltens- und Zeichentest abschneiden. Lernende mit selbst generierten Bildern lieferten noch bessere Ergebnisse als mit vorgegebenen Bildern. Bei Studie zwei konnte festgestellt werden, dass die Schüler/innen mit vorgegebenen Bildern nur noch im Zeichentest besser abschnitten. Desweiteren wurde festgestellt, dass die Ergebnisse mit selbst generierten Bildern ohne vorgegebener Lernzeit im Verstehenstest besser waren. Der Einsatz von visueller Unterstützung im Schulbereich kann, muss aber nicht immer förderlich sein. Es sollte darauf geachtet werden, dass bei selbst generierten Bildern nicht nur die Anweisung alleine steht, sondern Bildelemente zur Verfügung gestellt werden. Unterschiede welche Methode angewendet wird, sollten von der Lernzeit abhängig sein. Aufgrund der positiven Ergebnisse sollten Studien in diesem Bereich weitergeführt und eventuell andere Aspekte getestet sowie längerfristige Beobachtungen des Erfolges durchgeführt werden. Auch sollte die Rolle eines Mediators, der in den Studien nur nebensächlich behandelt wurde, in künftigen Studien mehr Beachtung geschenkt werden (vgl. Schwammborn et al., 2010, S. 231f).
In Bezug auf Bilder weist übrigens Foucault darauf hin, dass Bilder nicht von sich aus repräsentieren können, sondern nur dann etwas repräsentieren, wenn sprachliche Kommentare bzw. Deutungs- und Ergänzungsaktivitäten der Rezipienten hinzukommen, die einen Bezug zu den Gegenständen der wirklichen Welt herstellen und eine Ähnlichkeit zwischen Bild und Gegenstand konstruieren.
Übrigens: Auch SchauspielerInnen lernen mit Unterstützung durch Bilder. Für die Mehrzahl von SchauspielerInnen stellt die optische Wahrnehmung zusätzlich zur akustischen Wahrnehmung eine bedeutende Komponente im Lernprozess ihrer Rollentexte dar: „Anders als bei der dualen Kodierung, wo Worte mit Bildern verknüpft werden, beziehen sich externe Visualisierungstechniken auf die Gestaltung des Textbuches, wobei dem Schriftbild (…) eine zentrale Bedeutung beigemessen wird. „Dass Text mit Visuellem was zu tun hat, das merkt man, wenn man in einer frühen Phase des Textlernens innerlich immer umblättert“ (…). Die Befragten geben an, dass sie den Text geistig fotografieren und sich erinnern können, an welcher Stelle genau der Satz im Buch steht. Sie legen auch Wert darauf, dass „es was gleichschaut“ (…) und formatieren sich den Text im Bedarfsfall selbst noch einmal. Vier Befragte schreiben „die Texte von Hand, damit sie in den Körper gehen, von der Schrift in die Zunge“ (…)“. (…) Einige gaben auch an, „dass beim Durcharbeiten des Textes Bilder entstehen, die sich aus Assoziationen spontan einstellen oder in Form von Bildbrücken mental konstruiert werden. Diese Bilder sind Bestandteil des „inneren Parcours“ und unterstützen die Reproduktion des Textes“ (Ortmayr, 2021, S. 130f).
Literatur
Ortmayr, Eva Maria (2021). Zur Planung und Durchführung von Lernprozessen am Beispiel von Schauspielern. Eine empirisch-qualitative Untersuchung. Dissertation. Universität Potsdam.
WWW: https://publishup.uni-potsdam.de/frontdoor/index/index/docId/49953 (21-04-12)
Schwammborn, A., Thillmann, H., Leopold, C., Sumfleth, E. & Leutner, D. (2010). Der Einsatz von vorgegebenen und selbst generierten Bildern als Textverstehenshilfe beim Lernen aus einem naturwissenschaftlichen Sachtext. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 3-4, 221-233.
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