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Probleme hochbegabter Kinder

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Ein Mythos ist die Annahme, dass Hochbegabung zu hervorragenden schulischen Leistung führt, denn Perfektionismus und nagende Selbstzweifel führen eher dazu, dass Menschen trotz Hochbegabung Schwierigkeiten haben, neue Aufgaben zu verstehen oder erlernte Übungswege auf andere Aufgaben zu übertragen.

Hochbegabte Kinder sind im Allgemeinen nicht verhaltensauffälliger als durchschnittlich begabte Kinder (vgl. Rost, 1993), sodass  etwa 20% der hochbegabten Kinder verhaltensauffällig sein müssten (vgl. Heinrichs, Saßmann, Hahlweg & Perez, 2002). Die Art der Auffälligkeiten und das Ausmaß im Unterschied zu durchschnittlich begabten Kindern ist wenig erforscht. Als hochbegabte Kinder gelten Kinder mit hoch ausgeprägter Intelligenz, einem Intelligenzquotienten mit mindestens 2 Standardabweichungen oberhalb des Mittelwerts, also über 130 (vgl. Holling & Kanning, 1999). Freeman (1979) verglich 70 Eltern Hochbegabter, die einem Verein für hochbegabte Kinder angehörten, mit 70 Eltern Hochbegabter ohne Vereinszugehörigkeit und mit 70 Eltern durchschnittlich begabter Kinder. Der IQ unterschied sich bei diesen drei Gruppen erheblich, 147, 134, 119. Hochbegabte, deren Eltern einem Verein für Hochbegabte angehörten, zeigten deutlich mehr emotionale Auffälligkeiten als die anderen Vergleichsgruppen. Einen Grund dafür sah die Forscherin jedoch in deren belasteten Familienleben. Wittmann (2003) befragte Eltern die in einem Verein für hochbegabte Kinder waren, oder sich dafür interessierten. Telefonische Protokolle, Fragebögen und Interviews kamen zum Einsatz. Nach Wittman (2003) sind Kinder mit einem IQ von über 130 aggressiver und sozial isolierter, es kommt häufig zu Konflikten zwischen Eltern und deren Lehrern. Viele Hochbegabte leiden unter Unterforderung. Berücksichtigt muss jedoch werden, dass die Rücklaufquote der Fragebögen sehr gering war. Es fehlte auch die Kontrollgruppe der Eltern, die keine Hochbegabung ihrer Kinder vermuteten. Es wurden daher Eltern rekrutiert die Beratung suchten, aber keine Hochbegabung vermuteten. Die zweite Kontrollgruppe setzte sich aus Eltern die keine Hochbegabung vermuteten aber auch keine Beratung suchten, zusammen. Aussagen über Art und Ausmaß der Auffälligkeiten von Hochbegabten deren Eltern Beratung suchten, sollten getroffen werden. Um zu einer besseren Einschätzung zu kommen, wurde eine Stichprobe von Schulklassenkindern miteinbezogen (Gauck & Trommsdorf, 2009, S.29).

Stichproben waren Kinder von Eltern, die Beratung suchten, Schulkinder, deren Eltern keine Beratung suchten und 30 Hochbegabte aus der begabtenpsychologischen Beratungsstelle (Beratungsstelle der LMU München). Der durchschnittliche IQ spiegelte die Stichprobenselektion wider. Unter den Hochbegabten befanden sich signifikant weniger Mädchen, als in der Gruppe der durchschnittlich Begabten, deren Eltern Hilfe suchten und den Schulkindern. Eltern der Hochbegabten verfügten über signifikant höheres Bildungsniveau. Der angewandte Intelligenztest war unterschiedlich, da auf die Bedürfnisse der Einzelfälle eingegangen werden musste (Gauck et al., 2009, S.29). Es zeigten sich keine Unterschiede in den Verhaltensauffälligkeiten und der sozialen Integration bei den verschiedenen getesteten Kindern, daher wurden alle in die Auswertungen miteinbezogen (Gauck et al., 2009, S.29). Zur Erfassung von Verhaltensauffälligkeiten wurden Kinder, Eltern und Lehrer befragt. Der Elternfragebogen (Arbeitsgruppe Deutsche Child Behaviour Checklist, 1998) ist die alte Fassung der CBCL (Aschenbach, (1991a)). Es ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Verfahren zur Erfassung von Verhaltensauffälligkeiten aus Elternsicht und mit der parallelen Teacher´s Report Form (TRF, Aschenbach, 1991b), (Arbeitsgruppe Deutsche Child Behaviours Checklist, 1993) aus Lehrersicht.  Zur Erfassung der emotionalen und sozialen Schulerfahrung von Grundschulkindern erster und zweiter Klasse (Rauer & Schuck, 2004) und dritte und vierte Klasse wurde ebenfals der Fragebogen eingesetzt (Rauer & Schuck, 2003). Als Fragen standen ja folgende Fragestellungen im Mittelpunkt: Sind hochbegabte Kinder, mit Verein engagierten Eltern, verhaltensauffälliger als durchschnittlich begabte Kinder beratungsuchender Eltern.Zeigen Hochbegabte andere Verhaltensauffälligkeiten, sind sie sozial stärker isoliert und haben sie eine negativere Schuleinstellung (Gauck et al., 2008, S.29)?

Es zeigt sich, dass Eltern Hochbegabter und durchschnittlich Begabter, Beratung suchender Eltern, ihre Kinder ähnlich einschätzen. Eltern die keine Beratung suchten hielten ihre Kinder für weniger auffällig. Zwischen Kindern mit Eltern verschiedener Bildungsniveaus zeigten sich keine Verhaltensauffälligkeiten (Gauck et al., 2008, S.29).  Im Ausmaß ihrer Verhaltensauffälligkeiten unterschieden sich die Gruppen nicht signifikant. Hoch- und durchschnittlich Begabte Kinder unterscheiden sich nicht im Muster der Auffälligkeiten (Gauck et al., 2008, S.33).   Zur sozialen Integration, Schuleinstellung und dem Gefühl des Angenommen seins durch Lehrer ist zu sagen, dass beratungsuchende Eltern Hochbegabter und durchschnittlich Begabter dies hoch einschätzen. Nur Lehrer hielten Hochbegabte für isolierter und weniger motiviert. Das Geschlecht hatte einen signifikanten Einfluss auf die Einschätzung durch Lehrer in Bezug auf die sozialen Integration. Die Kinder selbst schätzen im Allgemeinen die soziale Isoliertheit und die Schuleinstellung geringer ein als Lehrer und Eltern (Gauck et al., 2008, S.34).


Für Eltern hochbegabter Kinder gilt, dass sie in ihrer Umgebung oft nicht verstanden werden, weil bei anderen Eltern eine Form von Neid im Vergleich zu den eigenen Kindern entsteht. Viele Menschen denken, dass die Eltern sich und ihrem Kind die besondere Begabung auch nur einreden bzw. manche argwöhnen gar, dass Eltern ihre Kinder auf Höchstleistungen hin dressieren. Viele Eltern von normalbegabten Kindern glauben auch, dass hochbegabte Kinder es einfacher haben und daher wenig Beachtung verdienen, doch sie wissen nicht, dass ein hochbegabtes Kind für die Familien äußerst anstrengend sein kann, vor allem wegen der permanenten Diskussionsbereitschaft, Wissbegierde und Experimentierfreude, aber auch wegen schlechter schulischer Leistungen, fehlender Motivation für die täglichen Hausaufgaben und nicht zuletzt aufgrund des äußerst geringen Schlafbedürfnisses, das manche hochbegabte Kinder zeigen.


Literatur

Aschenbach, T.M. (1991 a). Manual for the Child Behaviour Checklist. Vermont: Burlington.
Aschenbach, T.M. (1991 b). Manual for the Teacher´s Report Form. Burlington: University of Vermont, Department of Psychiatry.
Arbeitsgruppe Deutsche Child Behaviour Checklist (1993). Lehrerfragebogen über das Verhalten von Kindern und Jugendlichen. Köln: Arbeitsgruppe Kinder-, Jugend- und Familiendiagnostik.
Arbeitsgruppe Deutsche Child Behaviour Checklist (1998). Elternfragebogen über das Verhalten von Kindern und Jugendlichen. Köln: Arbeitsgruppe Kinder-, Jugend- und Familiendiagnostik.
Freeman, J. (1979). Gifted children. Lancaster: MTP Press.
Gauck, L. & Trommsdorff, G. (2009). Probleme hochbegabter Kinder aus Sicht von Kindern, Eltern und Lehrern. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 56, 27-37.
Heinrichs, N., Saßmann, H., Hahlweg, K. & Perrez, M. (2002). Prävention kindlicher Verhaltensstörungen. Psychologische Rundschau, 170-183.
Holling, H. & Kanning, U.P. (1999). Hochbegabung, Forschungsergebnisse und Förderungsmöglichkeiten. Götting: Hogrefe.
Rauer, W. & Schuck, K.D. (2004). Fragebogen zur Erfassung emotionaler und sozialer Schulerfahrung von Grundschulkindern erster und zweiter Klassen. Göttingen: Beltz Test.
Rauer, W. & Schuck, K.D.(2003). Fragebogen zur Erfassung emotionaler und sozialer Schulerfahrung von Grundschulkindern dritter und vierter Klassen. Göttingen: Beltz Test.
Rost, D.H. (2000). Hochbegabte und hochleistende Jugendliche. Neue Ergebnisse aus dem Marburger Hochbegabtenprojekt. Münster:Waxmann
Wittmann, A.J. & Holling, H. (2001). Hochbegabtenberatung in der Praxis. Ein Leitfaden für Psychologen, Lehrer und ehrenamtliche Berater. Göttingen: Hogrefe.




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