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Beratung bei Hochbegabung

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Beratung bei (vermuteter) Hochbegabung: Was sind die Anlässe und wie hängen sie mit Geschlecht, Ausbildungsstufe und Hochbegabung zusammen?

Wie zahlreiche Untersuchungen belegen, zeigen hochbegabte Kinder und Jugendliche Verhaltensstörungen, soziale Probleme oder psychische Auffälligkeiten nicht häufiger als nicht hochbegabte Kinder und Jugendliche“ (Preckl & Ecklmann, 2008, S. 17). Detlef H. Rost (Philipps-Universität Marburg) untersucht seit 1987 in der Marburger Hochbegabtenstudie Themen wie: Was ist intellektuelle Hochbegabung? Wie bedeutsam ist die allgemeine Intelligenz für den Schul- und Lebenserfolg? Unterscheiden sich Hochbegabte von Normalbegabten? Welche sinnvollen Fördermaßnahmen gibt es für Hochbegabte? Dabei stellte sich heraus, dass Hochbegabte keine Sonderlinge oder Einzelgänger sind, denn es kommt zu keinem qualitativen Sprung im Denken ab einem Intelligenzquotienten von 130, vielmehr ist Hochbegabung generell ein Schutzfaktor für Schulerfolg und Lebenszufriedenheit. Hochbegabte sind im Durchschnitt psychisch genauso stabil wie andere Menschen bzw. erreichen im Erwachsenenalter eine leicht erhöhte Lebenszufriedenheit und einen besseren Gesundheitsstatus.

Einige Unterschiede äußern sich allerdings darin, dass bei Hochbegabten teilweise andere Bereiche spezialer Beratung bedürfen. Dazu gehören beispielsweise die schulische Unterforderung und die damit verbundenen Motivationsprobleme, Underachievement, soziale Verurteile oder die Verunsicherung der Eltern. Je nach Alter und Ausbildungsstufe unterscheiden sich die Beratungsanlässe: In der Vorschule sind es verstärkt präventive Anlässe wie Hochbegabtendiagnose und Schullaufbahnberatung. Im Grundschulalter geht es vermehrt um Überspringen einer Klasse und im Sekundarstufenbereich werden Leistungsstörungen, Lernschwierigkeiten und problematische Arbeitsverhalten genannt (vgl. Preckl & Ecklmann, 2008, S. 17f).

Probleme hochbegabter Kinder in der Grundschule entstehen dadurch, dass diese Kinder sehr schnell den Lernstoff verstehen, ohne dass sie viele Wiederholungen dafür brauchen. Kommen diese Kinder zu Beginn ihrer Schulkarriere noch sehr gut mit reiner Anwesenheit durch, erleiden sie in höheren Klassen Schiffbruch und wissen auch nicht, warum sie plötzlich schlechte Noten schreiben. Diese Kinder haben nie gelernt, sich anzustrengen und richtige Lernstrategien zu entwickeln, und wissen etwa nicht, wie man sich in ein Thema hineinarbeitet. Für das Erlernen einer Fremdsprache muss aber dann eben die Grammatik gelernt und verstanden werden, und auch komplexe mathematische Aufgaben lassen sich nicht mehr nur mit einem guten Gedächtnis lösen. Hochbegabte Kinder müssen daher früh lernen, dass sie sich anstrengen müssen, um etwas zu erreichen.

Mögliche Ursachen für Underachievement sind geringe motivationale Dispositionen und metakognitive Kompetenzen. In einer Studie von Tibken et al. (2021) wurde das Zusammenspiel dieser Variablen im Längsschnitt mit begabten und nicht begabten Schülern aus Deutschland (N = 341, 137 weiblich) in den Klassenstufen 6 (M = 12,02 Jahre bei t1) und 8 (M = 14,07 Jahre) untersucht. Es wurden dabei deklarative und prozedurale metakognitive Kompetenzen im Bereich des Leseverstehens erhoben. Pfadanalysen zeigten, dass die prozedurale Metakognition über die Intelligenz hinaus einen ansteigenden Effekt auf die Entwicklung der schulischen Leistungen von begabten Schülern hat. Darüber hinaus sagten die deklarative Metakognition und das Bedürfnis nach Anerkennung interaktiv die prozedurale Metakognition voraus, was ihre Wirkung auf die Schulleistung vermittelte. Hochbegabte Underachiever müssen daher erst versuchen, das Lernen zu lernen.

Beratungsanlässe, welche sich auf schulische und leistungsrelevante Aspekte beziehen, treten tendenziell gemeinsam auf. Zudem treten Leistungs-, Motivations- und Konzentrationsstörungen auf der einen Seite und Verhaltensproblem, aggressives Verhalten, soziale Probleme und Fragen zur Erziehungsberatung auf der anderen Seite häufig gekoppelt auf. Man kann daher kaum von typischen Clustern von Beratungsanlässen sprechen (vgl. Preckl & Ecklmann, 2008, S. 20). Der häufigste Beratungsanlass ist die Hochbegabtendiagnose, gefolgt von der Suche nach Fördermöglichkeiten. Ein Drittel der Beratungsgespräche thematisiert Langeweile und Verhaltensprobleme. 12 bis 16 % beziehen sich auf die Themen Leistungs-, Motivations- und Konzentrationsstörungen. Eher selten treten die Fragen zu vorzeitiger Einschulung, aggressives Veralten und Gutachtenerstellung auf (vgl. Preckl & Ecklmann, 2008, S. 20-21).

Im Geschlechtervergleich zeigt sich insgesamt eine große Ähnlichkeit in der Häufigkeit der Beratungsanlässe. Bei Jungen sind jedoch Verhaltensprobleme ein signifikant häufigerer Beratungsanlass als bei Mädchen. Bei Mädchen werden häufiger zu den Fördermaßnahmen, Überspringen und frühzeitige Einschulung beraten. Diese Befunde bleichen auch bestehen, wenn man die Geschlechterunterschiede separat nach Begabungsgruppe (Hochbegabte vers. nicht Hochbegabte) betrachtet (vgl. Preckl & Ecklmann, 2008, S. 21).

In der Grundschule werden die Anlässe Unterforderung und Langeweile häufiger thematisiert als im Kindergarten oder in der weiterführenden Schule. Überspringen wird in der Grundschule, insbesondere in den ersten beiden Klassenstufen, ebenfalls häufiger thematisiert als in der weiterführenden Schule. Die drei Beratungsanlässe Leistungsstörung, Konzentrationsstörung und Motivationsprobleme kommen im Vorschulalter kaum vor, werden jedoch mit zunehmendem Alter zunehmend häufiger genannt. In weiterführenden Schulen (Klasse 5-7) spielen diese Themen in jedem dritten beziehungsweise fünften Beratungsfall eine Rolle (vgl. Preckl & Ecklmann, 2008, S. 21).

Hochbegabung wird als weit überdurchschnittliche allgemeine Intelligenz definiert. Aus den verschiedensten Studien geht hervor, dass Konzentrations- und Motivationsprobleme mit zunehmend höherer Ausbildungsstufe zunehmend häufiger als Beratungsanlässe genannt werden (vgl. Preckl & Ecklmann, 2008, S. 23-24). Familien mit hochbegabten Kindern lassen sich zu schulbezogenen Motivationsproblemen und Überspringung beraten, während Familien mit nicht hochbegabten Kindern eher Beratung zu Leistungsproblemen und Erziehungsfragen in Anspruch nehmen (vgl. Preckl & Ecklmann, 2008, S. 24).

Forderung an die Ausbildung von BeraterInnen
In der Ausbildung von BeraterInnen sollte neben den Grundlagen der pädagogischen Beratung im Bereich Familie und Bildung spezifische Kompetenten aufgebaut werden. Neben sehr guten diagnostischen Kompetenzen und der Aneignung von Wissen über schulische und außerschulische Fördermöglichkeiten sollten sich BeraterInnen mit Möglichkeiten der Motivationsförderung vertraut machen. In der Regel suchen eher Eltern und seltener Lehrkräfte begabungspsychologische Beratungsstellen auf. Daher sollten die entsprechenden Informationen optimalerweise so aufgearbeitet sein, dass sie die elterliche Handlungskompetenz zur Motivationsförderung zu stärken (vgl. Preckl & Ecklmann, 2008, S. 24-25).

Literatur

Preckel, F. & Eckelmann, C. (2008). Beratung bei (vermuteter) Hochbegabung. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 55, 16-26.
Tibken, C., Richter, T., von der Linden, N., Schmiedeler, S. & Schneider, W. (2021). The role of metacognitive competences in the development of school achievement among gifted adolescents. Child Development, 00, 1–17. https://doi.org/10.1111/cdev.13640.




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