Studien zeigen, dass die Gefahr besteht, dass ideologisch problematische Gruppen, insbesondere solche mit rechtsesoterischen oder religiös-fundamentalistischen Ansichten, das Recht auf häuslichen Unterricht missbrauchen, um Kinder zu indoktrinieren und von der Außenwelt abzuschotten. Diese Gruppen können die Kinder gezielt in ihren Ideologien und Weltanschauungen beeinflussen, ohne dass die staatlichen Kontrollmechanismen des regulären Schulbetriebs greifen. Dadurch werden die Kinder einseitig geprägt und ihnen wird die Möglichkeit genommen, eine vielfältige Perspektive auf die Welt zu entwickeln.
Darüber hinaus wird die sozialintegrative Funktion der Schule gefährdet, da Kinder in homogenen, isolierten Umfeldern aufwachsen und somit keine diverse Schul- und Klassengemeinschaft erleben, die für die demokratische Entwicklung und den sozialen Zusammenhalt wichtig ist. Der Kontakt zu Kindern mit unterschiedlichen Hintergründen, Erfahrungen und Meinungen fördert die Offenheit, Toleranz und Empathie der Lernenden. Durch den Wegfall dieser Erfahrungen drohen die Kinder in ihrer Entwicklung zu Vorurteilen und Abgrenzung gegenüber Andersartigkeit zu neigen.
Auch wird die staatliche Kontrolle über den Bildungsinhalt und die Qualität des Unterrichts eingeschränkt, was den Lernerfolg und damit das Grundrecht auf Bildung von Kindern gefährdet. Der Staat trägt die Verantwortung, dass alle Kinder unabhängig von ihrer Herkunft die gleichen Chancen auf eine hochwertige Bildung erhalten. Durch häuslichen Unterricht kann dieser Anspruch nicht mehr flächendeckend gewährleistet werden, da die Qualität des Unterrichts stark von den Fähigkeiten und Ressourcen der Eltern abhängt.
Eltern sind in der Regel weder pädagogisch noch fachdidaktisch ausgebildet und daher nicht für die Übernahme schulischer Bildungsaufgaben qualifiziert. Sie verfügen nicht über das notwendige Fachwissen, didaktische Kompetenzen und Erfahrung im Umgang mit Kindern in Lerngruppen, um einen adäquaten Unterricht zu gewährleisten. Dadurch besteht die Gefahr, dass die Kinder nicht optimal auf die Anforderungen des Berufslebens und der Gesellschaft vorbereitet werden.
Schließlich verstärkt der häusliche Unterricht bestehende Bildungsbenachteiligung, da nicht alle Eltern über die gleichen finanziellen, personellen und zeitlichen Mittel verfügen, um qualitativ hochwertige Bildung anzubieten. Kinder aus sozial schwächeren Familien drohen noch weiter abgehängt zu werden, wenn ihre Eltern nicht in der Lage sind, den Ausfall des staatlichen Schulsystems zu kompensieren. Dies würde zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft führen und die Chancengleichheit im Bildungssystem untergraben.
Quelle
Christoph Helm, Inhaber des Lehrstuhls für Pädagogik, Leiter der Linz School of Education sowie der Abteilung für Bildungsforschung, am 08. November 2024 in den NÖN.
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