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Emotionen und schulisches Lernen

Sprache lernen im Vorübergehen! Lernposter

Die Wirkung von Emotionen auf schulisches Lernen und Leisten

Der vorliegende Beitrag beleuchtet das Zusammenspiel zwischen Emotionen und Lernen genauer, und soll auch die Diskussion um die Wirkung von Emotionen anregen. Die Annäherung an dieses Thema erfolgt dabei über das Gebiet der Stimmungsforschung, in der Gefühlszustände gezielt experimentell induziert werden. Das Ziel  besteht darin, einen Überblick über dieses Forschungsgebiet zu liefern und Entwicklungen aufzuzeigen, die zu einer differenzierten Betrachtung des Zusammenhangs zwischen Emotion und Lernen in der Schule führen können. Es gilt dabei aufzuzeigen, welche Auswirkungen Emotionen und Stimmungen auf das Lernen haben. Es wird unter dem allgemeinen, als auch unter dem schulischen Gesichtspunkt den Fragen nachgegangen, welche erwünschten und unerwünschten Auswirkungen gute Stimmung und positive Emotion bzw. welche erwünschten und unerwünschten Auswirkungen schlechte Stimmung und negative Emotion haben (vgl. Edlinger & Hascher 2008, S. 56).

„Ein vielfach zitiertes und durch Laborstudien gut abgesichertes Ergebnis ist, dass positive Stimmung das Abrufen positiver Gedächtnisinhalte erleichtert, während negative Inhalte besser in negativer Stimmung abgerufen werden können“ (Edlinger & Hascher 2008, S.56).
Als Erklärung kann man die Idee eines assoziativen Netzwerkes verwenden. Dabei wird angenommen, dass Begriffe wie Knoten miteinander verbunden sind, wobei ähnliche Begriffe nahe beieinander und gegensätzliche Begriffe weit auseinander liegen. Wird nun ein Emotionsknoten aktiviert, werden auch benachbarte Knoten aktiviert und so können emotionsähnliche Begriffe leichter erinnert werden (vgl. Edlinger & Hascher 2008, S. 56f).
„Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich der Einfluss von Stimmungen auf kognitive Prozesse in der Aufnahme, Selektion, Verarbeitung und im Abrufen von Information sowie durch das Erleichtern oder Blockieren von verschiedenen Formen des Denkens widerspiegeln (Edlinger & Hascher 2008, S.59, 60).
So kann positive Stimmung die Verarbeitung von positiver Information, Kreativität, Kontaktfreude und Hilfsbereitschaft fördern. Man nimmt sich selbst und auch die Umwelt positiver wahr und traut sich selbst mehr zu. Auch die Findung von Ideen wird gefördert und die Geschwindigkeit des Denkens nimmt zu. Allerdings bringt die positive Stimmung auch Nachteile mit sich. So werden Informationen zum Beispiel nur oberflächlich bearbeitet und auch die erhöhte Risikobereitschaft ist nicht immer von Vorteil (vgl. Edlinger & Hascher 2008, S. 60).
Es wird festgestellt, dass die Wirkungen der Emotionen komplex sind und es daher nicht einfach ist bestimmte Regeln, denen diese Stimmungen folgen, aufzustellen. Ein anderer Ansatz ist, dass nicht positive oder negative Stimmungen für den Lernerfolg ausschlaggebend sind, sondern die Intensität die mit einem Wort oder Inhalt verbunden ist (vgl. Edlinger & Hascher 2008, S. 61f).

„Inwiefern können die Ergebnisse aus Laborforschungen auf die Schule übertragen werden? Welche Wirkungen haben Stimmungen bzw. Emotionen auf schulisches Lernen und Leisten? Was bringen diese Erkenntnisse für den Unterricht?“ (Edlinger & Hascher 2008, S.62).
Es wird zum einen versucht, nicht nur die positive oder negative Stimmung zu nutzen, sondern auch den Lerninhalt selbst, durch Problemstellungen, mit denen sich die Schüler identifizieren können. Die positiven Emotionen sollten zur Aufrechterhaltung der Motivation genutzt werden. Angst, Neid und Ärger sollen vermieden und Sympathie und Vergnügen, sowie der Stolz nach einer geschafften Aufgabe soll erhöht werden. Positive Stimmung erhöht auch die Kritikfähigkeit und verbessert somit das gesamte Lernverhalten. Die Auswirkung von Stimmungen sind aber eher vor einer Aufgabenverarbeitung von Nutzen, während der Aufgabenlösung sind eher die tatsächlich vorhandenen Fähigkeiten relevant (vgl. Edlinger & Hascher 2008, S. 62ff).
Es wird auch versucht je nachdem welcher Denkstil benötigt wird, die jeweils „richtige“ Stimmung hervorzurufen. Zum Beispiel positive Stimmung für kreative Anforderungen. Allerdings ist dabei die Schwierigkeit der Aufgabe zu berücksichtigen. Auch die Tatsache in welcher Phase der Unterrichtseinheit man sich befindet ist entscheidend. So eignet sich die Aneignungsphase besonders um positive Stimmung auszunutzen. Negative Stimmung führt meist zu Leistungseinbußen, da sich die betroffene Person vorrangig mit seinem Gemütszustand beschäftigt. Durch entsprechenden Unterricht oder auch Leistungsanreize können diese negativen Stimmungen vermindert werden (vgl. Edlinger & Hascher 2008, S. 65ff).
Ein dritter Ansatzpunkt ist der emotionale Gehalt des Lehrstoffes, da nur Informationen die emotional berühren langfristig behalten werden. Ist Interesse an einem Text vorhanden, wird dieser gelesen und auch weitergelesen, allerdings werden für das Weiterlesen auch Emotionen wie Freude, Überraschung, Mitleid oder auch Ekel benötigt. So sind Lehrinhalte Emotionsträger und durch die Auswahl von bestimmten Materialien kann die Leistung maßgeblich beeinflusst werden (vgl. Edlinger & Hascher 2008, S. 67f).

Aus den bisherigen Erkenntnissen geht hervor, dass sich mit positiven Emotionen durchaus vorteilhafte Effekte erzielen lassen und auch negative Emotionen nicht zwangsläufig die Leistung verringern müssen, sondern auch zum Vorteil genutzt werden können. Diese Emotionen beeinflussen vorrangig die Motivation und die Denkleistung. Und weiters müssen auch andere Einflussfaktoren, wie die Schwierigkeit, die subjektive Relevanz des Inhaltes und die Phasen der Lerneinheiten berücksichtigt werden. Ziel ist es, die Stimmungen im Unterricht sowohl von den Lehrern als auch von den Schülern selbst einzusetzen (vgl. Edlinger & Hascher 2008, S. 68).

Begeisterung und Lernen aus der Perspektive der Gehirnforschung

*** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Gerald Hüther ist der Ansicht, dass das Gehirn so wird, wie man es mit Begeisterung benutzt, denn die große Plastizität des menschlichen Gehirns hängt nicht in erster Linie von seiner Nutzung ab, sondern davon, dass man es mit Freudenutzt. Leider sind weder unsere Arbeitswelt noch unsere gemeinen Schulen dazu angetan, Begeisterung für etwas zu wecken, geschweige denn zu schüren, sodass es aus dieser Perspektive gilt, vor allem in Schulen Spielräume zu schaffen, in denen Begeisterung entstehen und wachsen kann. Schon Immanuel Kant begriff die Begeisterung als eine Anspannung der Kräfte, die „dem Gemüthe einen Schwung geben, der weit mächtiger und dauerhafter wirkt, als der Antrieb durch Sinnenvorstellung“.
Gerald Hüther: „Ich glaube, im vergangenen Jahrhundert sind wir erst mal gerade auf dem Höhepunkt einer Strategie angekommen, die ich gern ‚die Strategie der Ressourcenausnutzer‘ nenne. Solange man nur denken kann, waren Menschen unterwegs und haben sich alles, was es da irgendwo auf dieser Welt gab, angeeignet und es zum Objekt gemacht. Und haben es ausgenutzt, haben es verbraucht und dann war es eben weg. Und bisher gab es immer noch genug. Und jetzt sind wir – mit dem Beginn des 21. Jahrhunderts, für alle sichtbar – an einem Punkt angekommen, wo nicht mehr genug da ist und wo die natürlichen Ressourcen zu Ende gehen, wo sogar die geistigen Ressourcen nicht mehr in ausrechender Menge zur Verfügung steht. Und jetzt wird es eng und es ist das erste Mal Gelegenheit, dass wir uns als Menschen unserer bisherigen Strategie bewusst werden, um anschließend darüber nachzudenken, ob es auch noch eine andere Möglichkeit gibt als nur immer als Ressourcennutzer unterwegs zu sein. Und – wenn sie einen Hirnforscher fragen würden -dann würde der antworten: Na klar geht das, aber dann müsste man eben versuchen, anstatt Ressourcen auszunutzen, Potentiale zu entfalten. Und in der Tat: Das ist die Botschaft, die von allen Hirnforschern beschrieben wird. In unserem menschlichen Hirn sind wesentlich größere Potentiale angelegt. Da gibt es viel mehr Vernetzungsoptionen, als das, was dann als Kümmerversion dessen, was es eigentlich hätte werden können, am Ende bei den meisten von uns herauskommt“.

Lernen und positive und negative Emotionen

Das menschliche Gehirn verarbeitet in der Regel nur solche Informationen gut, die es für wichtig hält, und daher werden auch von Kindern vorwiegend nur solche Informationen leicht gelernt, wobei das neu zu Lernende natürlich auch zum Vorwissen passen muss. Das menschliche Gehirn ist generell darauf ausgerichtet, alle Erlebnisse, Informationen und Gedanken ständig zu bewerten, ob sie interessant oder langweilig sind, ob man sie mag oder nicht, ob man damit etwas anfangen kann oder nicht. Kindern geht es bei den Entschlüsselungen von neuen Begriffen ähnlich, sodass viele davon nur langsam oder überhaupt nicht gespeichert werden. Daher ist zu beachten, dass wenn Kinder schon Probleme beim Entschlüsseln von Wörtern haben, wird es für sie natürlich noch viel schwieriger, Sätze oder ganze Texte zu verstehen. Lernt ein Kind mit Offenheit, Neugierde und Freude, stellen sich positive Gefühle ein, vor allem wenn etwas Neues entdeckt, verstanden und automatisiert wird. Das gilt auch für negative Emotionen wie Angst, denn fühlt sich ein Kind von einer Aufgabe überfordert, werden Stresshormone ausgeschüttet, die die Denkfähigkeit und die Merkfähigkeit hemmen.

Emotionen und Lernleistung

Es ist aus Untersuchungen bekannt, dass der Leistungsunterschied zwischen starken und schwachen Schülerinnen und Schülern zu einem erheblichen Ausmaß auch von der Gefühlslage der Betroffenen abhängt, d.h. dass positive Emotionen mit guten und negative Emotionen mit schlechten Lernleistungen zusammenhängen. Man weiß auch, dass in höheren Klassenstufen Freunde und Stolz auf die eigenen Leistungen immer seltener werden, während Ärger, Hilflosigkeit und Langeweile häufiger auftreten. Es werden vier Arten von Leistungsemotionen unterschieden:

  • Positiv aktivierende Emotionen machen Lust auf mehr beim Lernen, also Freude am Lernen, aber auch die Hoffnung auf ein gutes Prüfungsergebnis. Diese Emotionen haben den größten positiven Einfluss auf die Lernleistung, vor allem wenn sie aktivitätsbezogen sind, wie die Freude am Lernen, und nicht nur ergebnisbezogen, wie die Hoffnung auf eine gute Note.
  • Positiv deaktivierende Emotionen können die Lernleistung sogar bremsen, denn wenn ein Kind oder Jugendlicher erleichtert ist, weil es gerade eine Prüfung gut bestanden hat, geht es vielleicht zu entspannt an die nächste Lernphase heran.
  • Negativ aktivierende Emotionen hingegen wünscht man sich zwar nicht, trotzdem können sie aber antreiben, denn wer Angst hat, bei einer weiteren schlechte Note sitzenzubleiben, fängt vielleicht endlich an zu arbeiten bzw. wer sich über eine unnötig schwache Leistung ärgert, strengt sich vielleicht beim nächsten Mal mehr an. So treibt der Ärger darüber, eine Aufgabe nicht sofort lösen zu können, manche Lernende zu Höchstleistungen an, aber nur, solange sie die Zuversicht behalten, es trotzdem schaffen zu können.
  • Negativ deaktivierende Emotionen sind die größten Lernhindernisse, denn wenn eine Schülerin oder ein Schüler verzweifelt ist, traut sie oder er sich selbst einfache Aufgaben nicht mehr zu und kann dem Unterricht kaum noch folgen. Langweilt er sich dagegen ständig, schenkt er dem Lernstoff zu wenig Aufmerksamkeit und lernt ebenfalls wenig.

Bei Babies wirkt sich die Stimmung auf das Lernen aus

Die Stimmung von Babys ist unberechenbar: Spielen sie in einem Moment noch vergnügt vor sich hin, können sie im nächsten schon untröstlich sein. Seehagen et al. (2020) haben untersucht, wie sich Veränderungen in der Stimmung auf Lernen und Gedächtnis bei Babys auswirken. Kinder im Alter von neun Monaten mussten in der Studie zunächst entweder eine Weile ruhigen Aktivitäten wie Bilderbücher anschauen oder wilden Aktivitäten wie Hüpfen nachgegangen waren, schauten dabei zu, wie eine erwachsene Person mit einer Handpuppe agierte und hatten so die Gelegenheit, dies zu lernen. Geprüft wurde, ob die Kinder die beobachteten Handlungen eine Viertelstunde später nachahmen konnten oder nicht, wobei ein Teil der Babys durch ähnliche Aktivitäten wie am Anfang in dieselbe Stimmung versetzt wurden wie beim Lernen, der andere Teil durch entgegengesetzte Spiele in die andere Stimmung gebracht. Die Kinder, die beim Lernen in einer anderen Stimmung gewesen waren als beim Abrufen des Gelernten, konnten die Handlungen mit der Puppe nicht nachahmen. Die Gedächtnisleistung war zweieinhalbmal höher, wenn die Stimmung beim Lernen und beim Abrufen des Gelernten gleich war. Wenn es also darum geht, Gelerntes abzurufen, kommt es bei Babys auf die Stimmung an, denn etwas, dass sie in ruhiger Stimmung gelernt haben, ist nicht mehr zugänglich, wenn sie aufgebracht sind und umgekehrt. Das zeigt, dass Schwankungen der inneren Verfasstheit in diesem Alter den Zugriff auf Gedächtnisinhalte verhindern können. Das könnte auch eine Erklärung dafür sein, dass Erwachsene sich an manche Erlebnisse ihrer frühsten Kindheit nicht erinnern können, denn einiges, das die Kinder in ruhiger Stimmung gelernt hatten, ist möglicherweise nicht mehr zugänglich, wenn das Kind aufgebracht ist.

Literatur

Frust, Angst, Langeweile: Wie negative Emotionen dem Lernen schaden.
WWW: https:// www.magazin-schule.de/magazin/frust-angst-langeweile-wie-negative-emotionen-dem-lernen-schaden/
Edlinger, H. & Hascher, T. (2008). Von der Stimmung- zur Unterrichtsforschung: Überlegungen zur Wirkung von Emotionen auf schulisches Lernen und Leisten. Unterrichtswissenschaft, 36, 55-70.
Seehagen, Sabine, Schneider, Silvia, Sommer, Katharina, La Rocca, Laura & Konrad, Carolin (2020). State-Dependent Memory in Infants. Child Development, doi:10.1111/cdev.13444.
Stangl, W. (2024, 6. Jänner). Emotionen und Lernleistung. Stangl notiert ….
https://notiert.stangl-taller.at/allgemein/emotionen-und-lernleistung/.




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Ein Gedanke zu „Emotionen und schulisches Lernen“

  1. Schöner Beitrag, wie alle Beiträge in den Pädagogik und Psychologie NEWS-Blogs 😉

    Besonders Ihre Schlussfolgerung zeigt trotz seiner notwendigen Kürze auf, welche Faktoren berücksichtigt werden sollten.

    Vielen Dank! M.A.

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