Theorien zur moralischen Entwicklung gehen davon aus, dass Empathie von Person zu Person weitergegeben wird, aber die Mechanismen, durch die Empathie sozial übertragen wird, sind noch unklar. Zhou et al. (2024) kombinierten computergestützte Lernmodelle mit funktioneller Kernspintomographie, um zu untersuchen, ob und wie empathische und nicht-empathische Reaktionen, die bei anderen beobachtet werden, die Empathie der Beobachterinnen beeinflussen.
Die Ergebnisse von drei unabhängigen Studien zeigten, dass das Beobachten von empathischen oder nicht-empathischen Reaktionen ein Lernsignal erzeugt, das die Empathiebewertungen der Beobachterin erhöht oder verringert. Eine vierte Studie zeigte, dass die lernbedingte Übertragung von Empathie bei der Beobachtung von menschlichen Demonstratoren stärker ist als bei Computern. Schließlich konnte gezeigt werden, dass die soziale Übertragung von Empathie empathiebezogene Reaktionen in der anterioren Insula verändert, d.h. in derselben Region, die mit grundlegenden Empathiebewertungen korreliert, sowie deren funktionelle Konnektivität mit der temporoparietalen Verbindung.
Diese Ergebnisse beschreiben also einen mathematischen und neuronalen Mechanismus der sozialen Übertragung von Empathie, der Veränderungen in individuellen empathischen Reaktionen in empathischen und nicht-empathischen sozialen Umgebungen erklären kann. Daraus folgt auch, dass Empathie nicht nur in der Kindheit erlernt wird, sondern dass auch Erwachsene durch ihre Umwelt beeinflusst werden, ob und wie empathisch sie sind.
Literatur
Stangl, W. (2024, 27. März). Empathie eine Erbe der Evolution? Stangl notiert ….
https://notiert.stangl-taller.at/sozialpsychologie/empathie-eine-erbe-der-evolution/.
Zhou, Yuqing, Han, Shihui, Kang, Pyungwon, Tobler, Philippe N., & Hein, Grit (2024). The social transmission of empathy relies on observational reinforcement learning. Proceedings of the National Academy of Sciences, 121, doi: 10.1073/pnas.2313073121.
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