Korrelate des Tragens einheitlicher Schulkleidung
Symbolische Gehalt und Effekte von Schuluniformen
Die Befürworter von Schuluniformen vermuten, dass die Träger von Schuluniformen weniger Wert auf teure Kleidung legen und es daher zu einem besseren Zusammenhalt innerhalb der Klassen komme. Die Schüler seien im Unterricht weniger stark abgelenkt und entwickelten ein höheres Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten, soziale Anforderungen meistern zu können. Eine höhere Lernmotivation sei auch ein positiver Faktor von Schuluniformen.
Die Gegner von einheitlichen Kleidungsvorschriften finden, dass das Vorschreiben zu tragender Kleidung sein ein übermäßiger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte von Schülerinnen und Schülern und nehme diesen die Möglichkeit sich mittels ihrer Kleidung auszudrücken (vgl. Dickhäuser, Lutz, Wenzel, Schöne 2004, S. 297).
In einer kalifornischen Schule gab es nach Einführung der Schuluniform einen Rückgang von tätlichen Auseinandersetzungen, weniger Vorfälle mit Waffen sowie weniger Erpressungen unter Schülern zu verzeichnen. Kleidung kann als Signal verstanden werden, welches Wert und Überzeugungen ausdrückt. Ebenfalls ist Kleidung eine Möglichkeit, seine eigene Persönlichkeit dazustellen (vgl. Dickhäuser et al. 2004, S. 297).
Schuluniformen drücken die Zugehörigkeit zu einer Gruppe aus und ermöglichen eine klare Abgrenzung all derjenigen Personen, die nicht zu der Gruppe gehören. Schulkleidung sollte daher mit einem besseren Sozialklima in den Schulklassen verbunden sein. Ein unbestrittenes Ziel des schulischen Unterrichtens ist ein angemessenes Lernverhalten und hohe Aufmerksamkeit. Aus diesem Grund wird vermutet, dass die Lernzielorientierung bei Schülern die einheitliche Schulkleidung tragen, stärker verfolgt wird. Beim Tragen einheitlicher Kleidung zieht die Kleidung der Mitschüler weniger Aufmerksamkeit auf sich als dies der Fall ist, wenn die Schüler unterschiedliche, selbst gewählte Kleidung tragen (vgl. Dickhäuser et al. 2004, S. 297).
Es ist anzunehmen, dass das Tragen einheitlicher Schulkleidung dazu führt, dass die Schülerinnen und Schüler modischer Kleidung einen niedrigeren Stellenwert beimessen. Die Schüler müssen mit der Kleidung vertraut werden und deren kommunikativen Gehalt durchschauen und akzeptieren. Schüler, die einheitliche Schulkleidung tragen, haben eine positivere Einstellung hinsichtlich des Nutzens als Nichtträger (vgl. Dickhäuser et al. 2004, S. 298).
Versuchspersonen: 78 Mädchen, 93 Jungen aus zwei verschiedenen Schulen in Hamburg. Alter: zwischen 10 und 15 Jahren (12,3 J. im Durchschnitt)
• 84 Schüler der Schule A tragen Uniform.
• 87 Schüler der Schule B tragen keine Uniform.
Die Erhebung der Variablen („Einstellung zu Schulkleidung“, „Stellenwert von Kleidung“, „Schüler-Sozialklima“, usw.) erfolgte per Fragebogen im Klassenverband während regulärer Schulstunden durch zwei geschulte Versuchsleiter.
Die Einstellung gegenüber Schulkleidung war bei deren Trägern positiver als bei den Schülern, die keine Schulkleidung tragen. Bei den Nichtträgern haben die jüngeren Befragten eine positivere Einstellung zur Schuluniform als die Schüler der Schulstufen 7 und 8. Bei den Trägeren sind die älteren, die die Schulkleidung bereits seit mehreren Jahren getragen wurde, positiver gestimmt als die jüngeren. Des Weiteren zeigte sich, dass sowohl die Träger als auch die Nichtträger zustimmten, dass durch die Uniform das Sozialklima gefördert wird. Die Lernzielorientierung war in den höheren Klassen im Mittel niedriger als in der Klassenstufe 5. Tendenziell haben die Träger von Uniformen jedoch eine höhere Lernzielorientierung. Ebenfalls nahmen Schüler mit einheitlicher Schuluniform die Lehrkräfte fürsorglicher wahr als Schüler ohne Schulkleidung. Es machte sich auch sichtbar, dass der Stellenwert von Kleidung bei den Trägern einheitlicher Schulkleidung niedriger ist als bei den Nichtträgern. Im Durchschnitt war der Stellenwert der Kleidung bei den älteren höher als bei den jüngeren. Das Sicherheitsgefühl ist in den Klassenstufen 7/8 im Schnitt niedriger als in der Klassenstufe 5 (vgl. Dickhäuser et al. 2004, S. 301ff).
Bei dieser Untersuchung wurden nur Variablen gemessen, die mit dem Tragen von einheitlicher Schulkleidung zusammenhängen. Zusammenhänge zwischen dem Tragen von Schulkleidung und dem Sozialklima, der Lernzielorientierung, der Aufmerksamkeit und dem Sicherheitsempfinden an der Schule zeigen sich erst mit einer gewissen Dauer des Tragens der Schulkleidung in den entsprechenden Klassen (vgl. Dickhäuser et al. 2004, S. 304ff)
In den untersuchten Klassen mit Schulkleidung gab es klare Kleidungsvorschriften für Schüler, nicht aber für die Lehrer. Die dadurch unterstrichene Hierarchie zwischen Schüler und Lehrer geht jedoch nicht damit einher, dass die Lehrkraft als weniger stark unterstützende wahrgenommen wurde als in Klassen ohne einheitliche Kleidung. Das Gegenteil war der Fall. Die Einführung von einheitlicher Schulkleidung ist ein Mittel, um den teuren Modewettbewerb unter Schülern zu stoppen, bei dem es darum geht, durch Mode aufzufallen (vgl. Dickhäuser et al. 2004, S. 305).
Rahmenbedingungen bei der Einführung von einheitlicher Schulkleidung: hohes Commitment seitens der Eltern und Lehrer ist notwendig, um Bekleidungsvorschrift durchzusetzen, Schulkleidung soll preiswert sein, Commitment und Akzeptanz seitens der Schüler erhöhen durch Mitbestimmung.
Machen Kleider wirklich Schule?
Eine Längsschnittanalyse der Effekte des Tragens von einheitlicher Schulkleidung
Welche Änderungen treten bei den Schülern/innen ein, wenn sie verpflichtet sind eine einheitliche Schulkleidung zu tragen. Den positive Vermutungen, wie kein Modediktat für Schüler/innen, besserer Zusammenhalt in der Klasse, eine stärkere Verbundenheit untereinander, einer höheren Leistung der Schüler/innen, stehen ebenso Kritiken zu Füßen. Durch die Kleidervereinheitlichung könnte sich dieses Modediktat auf technische Standards wie Handy, Ipods aber auch auf simple Dinge wie Turnschuhe verschieben (Ryan & Ryan, 1998, nach Dickhäuser, O., Helgert, J., Köppe, A., 2009, S. 39). Ein tatsächlicher Rückgang von Auseinandersetzungen, weniger Delikten mit Waffen und Erpressungen unter den Schüler/innen zeigt den einen Effekt der einheitlichen Kleiderordnung (Long Beach Unified School District, 2004). Andererseits ergibt es ein unklares Bild, da Träger/innen einheitlicher Schulkleidung in Privatschulen schlechtere Leistungen erbrachten, wie nicht einheitlich gekleidete (Brunsma & Rockquemore, 1998, nach Dickhäuser, O., Helgert, J., Köppe, A., 2009, S. 39).
Zwei Veröffentlichungen gibt es bis jetzt im deutschsprachigen Raum, wo diesem Thema der einheitlichen Kleidervorschrift, nachgegangen wurde.
An der Untersuchung nahmen 333 Schüler, davon 182 Mädchen und 151 Knaben, mit einem Durchschnittsalter von 11 Jahren, aus 2 staatlichen Realschulen (Schule A und Schule B) in Bayern teil. Während es in der Schule B keine Schulkleidungsordnung gab, wurde an der Schule A auf Wunsch der Schüler/innen und der Eltern das Tragen von einheitlicher Kleidung in das Schulprogramm aufgenommen. Es gab 3 Untersuchungen und zwar zu Beginn, am Ende des Schuljahres und zu Beginn des darauffolgenden Schulbeginnes (Dickhäuser, Lutz, Wenzel & Schöne, 2004. Spörer & Brunstein, 2007, nach Dickhäuser, O., Helgert, J., Köppe, A., 2009, S. 41).
Die Schüler/innen wurden zu 3 Zeitpunkten untersucht. Am Beginn des Schuljahres wurde dies anhand eines Fragebogens gemacht. Dieser umfasste 2 Schulstunden, wobei die erste Stunde für Intelligenzfragen herangezogen wurde. Am Ende des Schuljahres fanden die 2 Befragungen statt. Hier wurde auf das Sozialklima, die Lernzielorientierung, die Aufmerksamkeit und den Wert der Kleidung eingegangen (Dickhäuser et al. 2004).
Beim dritten Erhebungspunkt, am Schulbeginn des darauffolgenden Schuljahres, wurden zum Teil Leistungsdaten inkludiert, die ebenso nach der Notenskala beurteilt wurden.Ein besseres Sozialklima und eine höhere Aufmerksamkeit unter den Schüler/innen, die eine einheitliche Schulkleidung trugen. Diese Merkmale sind bei älteren Schülern, die die gleiche Kleidung schon länger trugen, noch ausgeprägter hervorgekommen. (Dickhäuser, Lutz, Wenzel & Schöne, 2004. Spörer & Brunstein, 2007).
Allgemein gilt: Kleidung lässt Menschen als fähig oder unfähig erscheinen
Menschen beurteilen andere Menschen innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde auch auf Grund ihrer Kleidung, denn wie Oh et al. (2019) in Experimenten gezeigt haben, wird jenen Menschen, die aufgrund ihrer Bekleidung reicher wirken, tendenziell mehr zugetraut. Dabei hatte man untersucht, wie Probanden ein und dieselbe Person abhängig von ihrer Oberbekleidung einschätzen. In mehr als achtzig Prozent der Fälle wurde ein und dasselbe Gesicht als fähiger eingestuft, wenn es auf einen Oberkörper mit reicher wirkender Kleidung montiert war, und zwar sogar dann, wenn ein Bild für nur 129 Millisekunden gezeigt wurde. Auch wenn die Probanden und Probandinnen explizit gebeten wurden, nicht auf die Kleidung zu achten, hielten sie mehrheitlich Gesichter mit reicher wirkender Kleidung für fähiger. Diese Effekte stimmen mit jenen Arbeiten überein, die gezeigt hatten, dass Menschen mit niedrigerem ökonomischen Status als weniger fähig empfunden werden (Halo-Effekt), was häufig auch zu sozialer Ausgrenzung mit Nachteilen für die körperliche und psychische Gesundheit führen kann.
Literatur
Dickhäuser O., Lutz K., Wenzel M. & Schöne C. (2004). Kleider machen Schule? Korrelate des Tragens einheitlicher Schulkleidung. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 52, 215-230.
Dickhäuser, O., Helgert, J., Köppe, A., (2009). Machen Kleider wirklich Schule? Eine längsschnittliche Analyse der Effekte des Tragen von einheitlicher Schulkleidung. Psychologie in Erziehung und Unterricht. Zeitschrift für Forschung und Praxis, 56, 38 – 48.
Oh, Dongwon, Shafir, Eldar & Todorov, Alexander (2019). Economic Status Cues from Clothes Affect Perceived Competence from Faces. Nature Human Behaviour, doi: 10.1038/s41562-019-0782-4.
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