Die Prüfung ist nach Foucault eine Errungenschaft des klassischen Zeitalters, die jedoch bisher wenig beachtet und ehr verschwiegen worden ist, sodass die Rolle, die Prüfungen innerhalb der Humanwissenschaften und von Disziplinarsystemen spielt, dabei kaum beleuchtet wird. In der Technik der Prüfung tritt ein eigener Wissensraum und ein eigener Machttypus in Erscheinung, wobei jenes anscheinend vertraute Verfahren der Prüfung Machtbeziehungen zum Einsatz bringt, mit denen Wissen erst oft erhoben und gebildet wird. Die politische Besetzung des Wissens erfolgt ja nicht bloß auf der Ebene des Bewusstseins und der Vorstellungen und in dem, was man zu wissen glaubt, sondern auf der Ebene dessen, was Wissen überhaupt ermöglicht. Durch die Prüfung wird das, was das Wissen ermöglicht, ritualisiert und manifestiert sich in der Vergabe von Berufsqualifikationen und Zugangsberechtigungen: Schulabschlüsse und Examina, die nichts anderes sind als überprüfbares Wissen und überprüfbare Fähigkeiten, die durch das Schul- und Universitätssystem erzeugt und produziert wurden, erhalten dadurch ihre politische Wirksamkeit. Historisch betrachtet war die Prüfung etwas, das eine Lehr- und Ausbildungszeit abschloss, etwa das Meisterstück, das der Lehrling am Ende seiner Ausbildung anfertigte, bezeugte seine Fähigkeiten und schloss seine Ausbildungszeit ab. Durch die Etablierung der Prüfschule wird im Gegensatz dazu durch den Akt der Prüfung die ständige Übertragung des Wissens vom Lehrenden auf die SchülerInnen kontrolliert und ein Wissen über den Leistungsstand der SchülerInnen produziert, das der bzw. dem Lehrenden vorbehalten ist. Zeitgleich fällt mit der Etablierung der Prüfungsschule übrigens die Etablierung der Pädagogik als Wissenschaft zusammen, d. h., die Schule wird zu einem Ort, an dem pädagogische Konzepte erarbeitet und erprobt werden. Die Konstituierung der Schule als Prüfschule machen daher die Prüfung zu einem zentralen Mechanismus in ihren Systemen, durch das eine bestimmte Form der Macht ausgeübt wird, die mit einem bestimmten Typus der Wissensformierung kombiniert wird. Ein wesentlicher Aspekt der schulischen Ausbildung ist daher die Leistungsbeurteilung, bei der mit Hilfe von schriftlichen Prüfungen, mündlichen Prüfungen und der Beurteilung der Mitarbeit der Lernfortschritt gemessen wird. Dabei gibt es Probleme, die die Messergebnisse und damit die Bewertung verfälschen können.
Gütekriterien für Prüfungen
Eine Prüfung soll eine gute und zuverlässige Methode zur Leistungsfeststellung sein, die auch akzeptiert werden kann. Darum muss eine Prüfung sachlich und gerecht (objektiv), genau (reliabel) und gültig (valide) sein (vgl. Jäger 2000, S. 184-196).
Objektivität
Die Objektivität einer Beurteilung ist gegeben, wenn das Ergebnis unabhängig vom Prüfer ist und nicht nach der Art der Prüfung zustande kommt (vgl. Jäger 2000, S. 185f).
Reliabilität
Reliabilität ist die Zuverlässigkeit und Genauigkeit einer Prüfung. Wird die Prüfung unter denselben Umständen wiederholt, muss auch dasselbe Ergebnis erzielt werden (vgl. Jäger 2000, S. 187f).
Validität
Unter Validität wird die Gültigkeit verstanden, sprich die Aufgabenstellung muss die Lernziele messen können (vgl. Jäger 2000, S. 190-192).
Probleme bei mündlichen Prüfungen
Unterschiede im Prüfungsverlauf
Die Schüler sind unterschiedlichen Bedingungen ausgesetzt, was die Durchführungsobjektivität stark beeinträchtigt (vgl. Neuweg 2006, S. 44-45). Bei einer mündlichen Prüfung fließt der persönliche Eindruck, den der Schüler macht, in die Leistungsbeurteilung ein. Dabei wird das eigentliche Ziel, die Leistungsfähigkeit beziehungsweise das Wissen des Schülers zu eruieren, beeinträchtig. Das Ergebnis ist nicht mehr valide (vgl. Jäger 2000, S. 182). Lehrer hegen für Schüler Sympathie und Antipathie, wodurch die Objektivität der Leistungsbeurteilung vermindert wird (vgl. Jäger 2000, S. 182). Die Leistungen werden von der momentanen Situation beeinflusst, wobei nicht nur die Situation des Schülers seine Leistung verändert, sondern sich auch die Stimmung des Lehrers auswirkt. Dadurch werden Reliabilität und Validität eingeschränkt (vgl. Jäger 2000, S. 183). Mündliche Prüfungen können Angst auslösen und Stress verursachen, was durch „Eisbrecherfragen“ durch den Prüfer aufgelockert werden kann (vgl. Jäger 2000, S. 205). Eine Prüfung kann auch die Funktion der Strafe, der Unterdrückung oder des Abrichtens haben (vgl. Jäger 2000, S. 184). Trotz all dieser Probleme, die sich aus mündlichen Prüfungen ergeben können, bieten sie dem Schüler auch wesentliche Vorteile gegenüber der schriftlichen Leistungsüberprüfung.
- Der sprachliche Ausdruck und die Improvisationsfähigkeit des Schülers werden gefördert.
- Die Prüfung läuft interaktiv ab, so kann sich der Prüfer an den Kandidaten anpassen und der Schüler hat die Möglichkeit, Fragen zu stellen.
- Anstatt eine Antwort vorschnell als falsch zu bewerten, können hier Denkvorgänge gut nachvollzogen werden
(vgl. Neuweg 2006, S. 183).
Unterschied zwischen mündlicher und schriftlicher Leistungsfeststellung
Der Einsatz von schriftlichen Prüfungen wird damit begründet, dass im Gegensatz zu einer mündlichen Form der Leistungsfeststellung die Schriftliche objektiver, unabhängiger vom Prüfer und vergleichbarer ist. Zudem ist die Leistungsbeurteilung transparenter, sprich die Benotung kann auch vom Schüler nachvollzogen werden (vgl. Jäger 2000, S. 214-215).
Probleme bei schriftlichen Prüfungen
Unterschiedliche Prüfer beurteilen die gleiche schriftliche Prüfung verschieden (vgl. Jäger 2000, S. 232f).
Prüfer beurteilen die gleiche Prüfung zu unterschiedlichen Zeiten verschieden oder beurteilen Arbeiten von verschiedenen Prüflingen unterschiedlich (vgl. Jäger 2000, S. 232f).
Nicht nur das zu messende Leistungsmerkmal wird beurteilt
Bei schriftlichen Arbeiten fließen unter anderem auch folgende Kriterien in die Beurteilung ein:
- Länge der Antwort oder des Aufsatzes
- Handschrift
- Grammatikalische Fehler
- Orthografische Fehler
(vgl. Jäger 2000, S. 229f)
Problematik der Mitarbeitsbeurteilung
Zeitraumbeurteilung
Es wird nicht eine einzelne Leistung bewertet, sondern alle Leistungen über einen längeren Zeitraum hinweg (vgl. Neuweg 2006, S. 33).
Unvermeidbarkeit punktueller Leistungsfeststellung
Auch wenn es um generelle Leistung geht, kommt man um die punktuelle Feststellung durch ausgewählte Beispiele, Fragen und Hausübungen nicht umhin (vgl. Neuweg 2006, S. 33).
Benachteiligung introvertierter Schüler
(vgl. Neuweg 2006, S. 34)
Einfluss außerschulischer Komponenten
Die Schüler können etwa die Hausübung mit Hilfe von Eltern oder Nachhilfelehrern erledigen, oder sie haben keine Zeit, sie sorgfältig zu erledigen (vgl. Neuweg 2006, S. 34).
Literatur
Jäger, R. S. (2000). Von der Beobachtung zur Notengebung – Ein Lehrbuch: Diagnostik und Benotung in der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Landau: Empirische Pädagogik.
Neuweg, G. H. (2006)- Schulische Leistungsbeurteilung: Rechtliche Grundlagen und pädagogische Hilfestellung für die Schulpraxis. Linz: Trauner.
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