Das menschliche Zentralnervensystem unterliegt von der Kindheit bis zum Erwachsenenalter enormen Veränderungen, was sich möglicherweise darauf auswirkt, wie Menschen in verschiedenen Entwicklungsstadien neue Fähigkeiten erlernen. Eine Studie von Beck et al. (2024) untersuchte, wie sich das Erlernen motorischer Fähigkeiten bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen unterscheidet. Entgegen der landläufigen Meinung, dass Kinder schneller lernen, zeigt die Forschung ein differenzierteres Bild:
- Junge Erwachsene und Teenager lernen neue Bewegungsabläufe zunächst schneller als Kinder. Sie zeigen größere und schnellere Verbesserungen während des Übens.
- Kinder lernen langsamer, aber ihre Fortschritte sind stabiler. Sie verbessern sich sogar über Nacht, ohne weiteres Üben.
- Erwachsene vergessen das Gelernte schneller als Kinder. Ihre anfänglichen Leistungsverbesserungen können mit der Zeit abnehmen.
Die Unterschiede können auf verschiedene Faktoren zurückgeführt werden:
- Die Reife des Nervensystems
- Lern- und Lebenserfahrung
- Schlafmuster und -qualität
- Ablenkungen und konkurrierende Eindrücke im Alltag
Beim Gesamtlernerfolg gab es keine drastischen Unterschiede zwischen den Altersgruppen. Die Erkenntnisse könnten für die Gestaltung altersgerechter Trainingspläne in Bereichen wie Sport, Musik und Rehabilitation relevant sein, wobei vor allem der Ruhe und den Pausen für effektives Lernen in allen Altersgruppen große Bedeutung zukommt.
Mögliche Erklärungsversuche:
- Motivation: Erwachsene haben in der Regel eine höhere intrinsische Motivation, um zu lernen, da sie das Gelernte auf ihr tägliches Leben anwenden und dadurch ihren Karriereweg verbessern können. Kinder hingegen lernen häufig aufgrund von äußeren Belohnungen oder Strafen. Erwachsene lernen in der Regel aus einem bestimmten Grund oder Ziel heraus, während Kinder oft einfach aus Neugierde und Spieltrieb lernen.
- Erfahrung: Erwachsene haben in der Regel mehr Erfahrungen als Kinder und können das Gelernte auf frühere Erfahrungen und Kenntnisse aufbauen. Kinder hingegen müssen oft grundlegende Kenntnisse erwerben, bevor sie komplexe Themen lernen können, besitzen aber oft mehr Anpassungsfähigkeit.
- Lernstil: Erwachsene haben in der Regel einen klareren Lernstil und eine Vorstellung davon, wie sie am besten lernen. Kinder hingegen müssen ihren Lernstil noch entwickeln und herausfinden, wie sie am besten lernen. Erwachsene haben oft einen bevorzugten Lernstil (z.B. visuell, auditiv oder kinästhetisch), während Kinder noch flexibler sind und verschiedene Lernstile ausprobieren können.
- Gedächtnis: Das Gedächtnis von Erwachsenen ist in der Regel besser entwickelt als das von Kindern. Erwachsene können daher oft schneller und effektiver lernen und Informationen besser behalten.
- Lernumgebung: Erwachsene können in verschiedenen Lernumgebungen lernen, während Kinder in der Regel in einer Schulumgebung lernen müssen. Erwachsene bevorzugen oft eine ruhigere und strukturierte Lernumgebung, während Kinder oft in einer spielerischen und interaktiven Umgebung lernen möchten.
- Verantwortung: Erwachsene haben oft mehr Verantwortung und Verpflichtungen als Kinder, was das Lernen beeinflussen kann. Zum Beispiel haben sie möglicherweise weniger Zeit für das Lernen oder müssen das Lernen mit anderen Aufgaben und Verpflichtungen vereinbaren.
- Selbstreguliertes Lernen: Erwachsene können in der Regel besser selbstreguliert lernen, indem sie ihre Lernziele, ihre Fortschritte und ihre Strategien für das Lernen kontrollieren und anpassen können. Kinder hingegen müssen oft von Erwachsenen angeleitet werden, um zu lernen, wie sie ihre Lernprozesse selbst regulieren können.
- Lerntempo: Erwachsene können in der Regel schneller lernen als Kinder, da sie eine höhere Verarbeitungskapazität und ein größeres Arbeitsgedächtnis haben. Kinder hingegen müssen oft langsamer lernen, um Informationen besser zu verstehen und zu verarbeiten.
Literatur
Beck, M. M., Kristensen, F. T., Abrahamsen, G., Spedden, M. E., Christensen, M. S., & Lundbye-Jensen, J. (2024). Distinct mechanisms for online and offline motor skill learning across human development. Developmental Science, 27(6), e13536. https://doi.org/10.1111/desc.13536
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