Die Konsolidierung von Wissen ist ein zentraler Bestandteil schulischer Lernprozesse, da sie sicherstellt, dass erworbene Inhalte langfristig erhalten und flexibel abrufbar bleiben. Dabei geht es insbesondere um das gezielte Wiederholen und Anwenden von bereits vorhandenem deklarativem und prozeduralem Wissen. Um Konsolidierung als eigenständige Dimension von Unterrichtsqualität zu etablieren, muss sie klar von verwandten Konzepten wie dem Üben und der kognitiven Aktivierung abgegrenzt werden. Konsolidierung meint dabei das gezielte Wiederholen und Anwenden bereits erworbenen deklarativen und prozeduralen Wissens (Helmke, 2022). Damit diese Funktion als eigenständiger Aspekt der Unterrichtsqualität verstanden werden kann, ist es erforderlich, sie sowohl vom allgemeinen Begriff des Übens als auch von der kognitiven Aktivierung abzugrenzen. Üben wird in der Erziehungswissenschaft häufig sehr weit gefasst und schließt unterschiedlichste Lernphasen ein – von der Vorbereitung über den Erwerb bis zur Anwendung und Verinnerlichung von Wissen, Einstellungen und Verhaltensweisen (Brinkmann, 2021). Konsolidierung stellt innerhalb dieses breiten Übungsbegriffs eine spezifische Form dar, die auf die Stabilisierung und Automatisierung im Unterricht erlernter Inhalte abzielt. Ihr Zweck besteht darin, das im Unterricht vermittelte Wissen so zu festigen, dass es flexibel genutzt werden kann (Keller et al., 2024b). Auch von der kognitiven Aktivierung ist Konsolidierung zu unterscheiden. Letztere ist als generische Dimension von Unterrichtsqualität breit diskutiert und beschreibt im Wesentlichen Prozesse der vertieften Auseinandersetzung mit neuen Lerninhalten (Praetorius et al., 2024; Wemmer-Rogh et al., 2024). Zwar wird in manchen Studien das konsolidierende Üben teilweise unter dem Dach der kognitiven Aktivierung mitgeführt, dies geschieht jedoch inkonsistent und beschränkt sich oft auf besonders anspruchsvolle Übungsformen. Einfachere Wiederholungsformen werden teils sogar als negativ bewertet – wie etwa in der TIMSS-Videostudie, wo repetitives Üben als Hindernis für Lernfortschritt beschrieben wurde (Klieme et al., 2001).
Um diese Unschärfen zu vermeiden, plädieren aktuelle Modelle wie das MAIN-TEACH-Modell (Praetorius et al., 2023) für eine funktionale Differenzierung der Unterrichtsqualität. Dabei wird zwischen der Unterstützung des Wissenserwerbs (kognitive Aktivierung) und der Unterstützung der Konsolidierung unterschieden. Beide gelten dort als gleichwertige, aber klar abgrenzbare Komponenten des Lernprozesses. Diese Perspektive findet sich auch in psychologischen und didaktischen Ansätzen, etwa im PADUA-Modell von Aebli (1983/2006), die verschiedene lernpsychologische Prinzipien und Unterrichtsphasen berücksichtigen. Empirische Studien untermauern diese Trennung, indem sie zeigen, dass unterschiedliche Lerngelegenheiten gezielt unterschiedliche Lernleistungen fördern – entweder den Erwerb neuen Wissens oder die Festigung bereits vorhandenen Wissens (Roelle et al., 2023; Endres et al., 2024). Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, Konsolidierungsprozesse nicht nur theoretisch zu präzisieren, sondern auch praktisch nutzbar zu machen, um Unterricht wirksamer an den Anforderungen des Lernens und Behaltens auszurichten.
Literatur
Aebli, H. (2006). Zwölf Grundformen des Lehrens: Eine Allgemeine Didaktik auf psychologischer Grundlage (3. Aufl., Originalarbeit 1983). Klett-Cotta.
Brinkmann, M. (2021). Üben als kulturelle Praxis. In: J. Kade, M. Seel & H. Zeinz (Hrsg.), Handbuch Erziehungswissenschaft. Springer VS.
Endres, S., Roelle, J., & Leuders, T. (2024). Effekte unterschiedlicher Lerngelegenheiten auf spezifische Lernleistungen. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 38(1), 24–39.
Helmke, A. (2022). Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Seelze: Kallmeyer.
Keller, U., Praetorius, A. K., & Roelle, J. (2024b). Konsolidierendes Üben als eigenständige Unterrichtsqualität. Unterrichtswissenschaft, 52(2), 117–138.
Klieme, E., Schümer, G., & Lieber, J. (2001). TIMSS-Video-Studie: Unterricht und Kompetenzerwerb im internationalen Vergleich. Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF).
Praetorius, A. K., Helmke, A., & Roelle, J. (2023). MAIN-TEACH: Ein Modell zur Differenzierung von Unterrichtsqualität. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 26(1), 1–24.
Praetorius, A. K., et al. (2024). Kognitive Aktivierung im Fokus der Unterrichtsforschung. In: Zeitschrift für Unterrichtsforschung, 53(1), 45–60.
Roelle, J., Endres, S., & Leuders, T. (2023). Unterschiedliche Intensitäten von Wissenserwerb und -konsolidierung in Lerngelegenheiten. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 55(3), 134–146.
Wemmer-Rogh, M., Keller, U., & Roelle, J. (2024). Kognitive Aktivierung differenziert betrachtet: Ein Überblick. Unterrichtswissenschaft, 52(1), 67–83.
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