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Argumente gegen das Sitzenbleiben

Sprache lernen im Vorübergehen! Lernposter

Die Forschung über die Wirksamkeit der Beibehaltung der Klassenstufe hat eine lange Geschichte, hat aber im letzten Jahrzehnt einen Aufschwung erlebt. In einer Metastudie über zahlreiche Länder konnte festgestellt werden, dass das Sitzenbleiben im Durchschnitt einen Nulleffekt hat, was darauf hindeutet, dass Wiederholer und Nicht-Wiederholer im Durchschnitt eine ähnliche Entwicklung zu zeigen scheinen. Gleichzeitig stellte man fest, dass sich die Auswirkungen des Notenerhalts je nach einigen spezifischen Effekt- und Studienmerkmalen unterscheiden. Insbesondere scheint die Beibehaltung der Noten in Ländern, die eine Mischung aus Beibehaltung der Noten und Nachverfolgung anwenden, um die Heterogenität der Schüler zu bekämpfen, weniger wirksam zu sein, und wenn Wiederholer mit Nicht-Wiederholern desselben Alters verglichen werden. Umgekehrt scheint die Beibehaltung der Klassenstufe in den Ländern wirksamer zu sein, die Strategien wie die Einteilung in Leistungsgruppen, das Einteilen in Gruppen und das Streaming anwenden, um der Heterogenität der Schüler gerecht zu werden. Positive Auswirkungen scheinen sich auch zu ergeben, wenn das psychosoziale Funktionieren der Schüler untersucht wird, wenn kurzfristige Auswirkungen untersucht werden, wenn Wiederholer mit ihren jüngeren, nicht wiederholten Klassenkameraden verglichen werden. Hier einige Argemente gegen das Sitzenbleiben:

Stigmatisierung: Wenn ein Schüler oder eine Schülerin sitzen bleibt, kann das dazu führen, dass er oder sie stigmatisiert wird und sich als Versager fühlt. Das kann dazu führen, dass das Selbstwertgefühl sinkt und das Interesse am Lernen abnimmt. In einer Stichprobe deutscher Sitzenbleiber fand man, dass die Motivation bei vielen einbricht und dass dieser Prozess schon vor dem Wiederholen der Klasse einsetzt. Selbstvertrauen, Lernmotivation und Interesse am Schulstoff blieben nach dem Sitzenbleiben niedrig und erholen sich erst allmählich wieder.

Soziale Isolation: Schülerinnen und Schüler, die sitzen bleiben, müssen oft eine Klasse wiederholen und werden von ihren Freunden getrennt. Dies kann dazu führen, dass sie sich isoliert fühlen und soziale Probleme bekommen. Wenn das Sitzenbleiben droht, gilt die Sorge der Betroffenen meist weniger den zukünftigen Noten, denn wichtiger ist den meisten, dass sie von Freunden getrennt werden und in einer neuen Klasse zurechtkommen müssen.

Kosten: Das Sitzenbleiben verursacht zusätzliche Kosten für Schulen und Familien, da die Schülerinnen und Schüler ein weiteres Jahr in der gleichen Klasse bleiben müssen. Eine hohe Quote kostet das Bildungssystem eine Menge Geld, da die Betroffenen länger darin verbleiben. So manche der erfolgreichsten Bildungssysteme der Welt kommen ohne die Maßnahme aus, etwa Norwegen oder Japan, oder wenden sie wie Finnland oder Dänemark nur in Ausnahmefällen an.

Wenn man übrigens die Entwicklung von Wiederholern vergleicht mit Schülern, die zwar ebenso schwache Leistungen gezeigt hatten, aber dennoch versetzt worden waren, zeigte sich, dass Wiederholer im Nachhinein nicht mehr als die lernen, die gerade noch in die nächste Klasse rutschten. Offenbar können Schülerinnen und Schüler ihre Lernlücken oft nicht schließen, indem sie den Stoff noch einmal in gleicher Form durchgehen.



Literatur

Goos, Mieke, Pipa, Joana & Peixoto, Francisco (2021). Effectiveness of grade retention: A systematic review and meta-analysis. Educational Research Review, 34, doi:10.1016/j.edurev.2021.100401.
Kretschmann, J., Vock, M., Lüdtke, O., Jansen, M., & Gronostaj, A. (2019). Effects of grade retention on students’ motivation: A longitudinal study over 3 years of secondary school. Journal of Educational Psychology, 111, 1432–1446.
https://www.spektrum.de/magazin/ist-sitzenbleiben-sinnvoll/2131071 (23-05-03)


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