Die Frage, inwieweit Selbsteinschätzungen während des Lernens den späteren Lernerfolg beeinflussen können, stand im Zentrum einer Meta-Analyse von Ingendahl, Halamish und Undorf (2025), in der der Effekt Judgments of Learning (JOLs), also Vorhersagen über das eigene Erinnerungsvermögen, untersucht wurde, die Lernende direkt nach der Aufnahme von Informationen abgeben. Diese Form der metakognitiven Kontrolle gilt als ein wesentlicher Bestandteil erfolgreichen Lernens, da sie Lernenden erlaubt, ihren Kenntnisstand einzuschätzen und ihre Strategien entsprechend anzupassen. Die Analyse umfasste dabei 344 Effektgrößen aus 175 unabhängigen Experimenten, in denen insgesamt mehr als 15.000 erwachsene Teilnehmende untersucht wurden. Dabei zeigte sich, dass Selbsteinschätzungen im Durchschnitt eine kleine, aber verlässliche Verbesserung der Gedächtnisleistung bewirken (g = 0.22, 95% CI \[0.17, 0.27]). Besonders deutlich war dieser Effekt, wenn die Lernmaterialien inhaltlich zusammenhängend waren, wie etwa bei assoziierten Wortpaaren („Hund – Katze“). In diesen Fällen erreichten die Effekte Werte im kleinen bis mittleren Bereich (g = 0.44). Wurden hingegen unverbundene Inhalte gelernt, traten teilweise sogar leichte Leistungseinbußen auf (g = −0.09).
Moderatoranalysen verdeutlichten zudem, dass die Wirksamkeit von Selbsteinschätzungen stark von den experimentellen Bedingungen abhängt – etwa der Art des Materials, dem eingesetzten Gedächtnistest oder dem Studiendesign (zwischen- vs. innerhalb der Gruppen). Auch Hinweise auf Publikationsverzerrungen wurden festgestellt, die vor allem positive Effekte gegenüber neutralen oder negativen Ergebnissen begünstigten. Diese Befunde legen nahe, dass Selbsteinschätzungen nicht als pauschal förderlich oder hinderlich einzustufen sind, sondern differenziert betrachtet werden müssen. Die Studie liefert damit eine systematische Grundlage für die Einschätzung, wann und unter welchen Bedingungen Selbsteinschätzungen das Lernen tatsächlich unterstützen, betont aber zugleich die Notwendigkeit, Theorien zur Erklärung dieser Effekte weiter zu verfeinern, um die zugrunde liegenden Prozesse besser zu verstehen.
Implikationen für Bildungs- und Lernkontexte: Eine gezielte Förderung metakognitiver Kompetenzen könnte Lernende darin unterstützen, ihre Strategien effektiver an die jeweiligen Anforderungen anzupassen und so nachhaltigeres Lernen zu ermöglichen.
Literatur
Ingendahl, F., Halamish, V. & Undorf, M. (2025). Do immediate judgments of learning alter memory performance? A meta-analytical review. Psychological Bulletin, 151, 892–929.
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