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Sprachen lernen – aktiver und passiver Wortschatz

Sprache lernen im Vorübergehen! Lernposter

Sprache ist nicht das, womit man etwas beschreibt, sondern womit man denkt.
Peter Bichsel
Die Sprache ist natürlich im ersten Moment immer ein Hindernis für die Verständigung.
Marcel Marceau

Unter dem Wortschatz eines Menschen versteht man die Anzahl an Wortgrundformen, die sie oder er kennt, in der Fachliteratur auch Lemmata genannt, denn so besitzen Wörter wie “Schlaf” und “einschlafen” ein Lemma, da sich beide von der Wortgrundform “schlafen” ableiten lassen. Zur Anzahl an Wortgrundformen im Deutschen gibt es verschiedenste Schätzungen, denn je nach Kriterien zählt man Nominalisierungen, Fachbegriffe, usw. dazu oder nicht. Generell schätzt man im Deutschen zwischen zweihunderttausend und vierhunderttausend Wortgrundformen.

Grundsätzlich wird zwischen produktivem und rezeptivem Wortschatz unterschieden, wobei man in der Fachliteratur auch die Begriffe aktiver und passiver Wortschatz findet. Entsprechend werden auch die Fertigkeiten zugeordnet, d. h. Hören und Lesen sind rezeptive Fertigkeiten, Sprechen und Schreiben sind produktive Fertigkeiten. Untersuchungen in den USA haben übrigens gezeigt, dass es bei der Bedeutungsverarbeitung von Wörtern und Sätzen für das Gehirn kaum einen Unterschied macht, ob die Texte gelesen oder gehört werden. Probanden und Probandinnen hatten zuerst Texte leise gelesen und genau diese Texte dann noch einmal zu hören bekommen, wobei man während des Lesens und Hörens mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie die Gehirnaktivitäten erfasste. Zuvor war die Bedeutung von jedem Wort mit Hilfe der natürlichen Sprachverarbeitung (Natural Language Processing, einem Teilgebietes der AI) kodiert worden, sodass die Bedeutung des gelesenen bzw. gehörten Wortes im Gehirn verortet werden konnte. Mit Hilfe des maschinellen Lernens clusterte man danach die so modellierten Gehirndaten nach Modalitäten wie visuell, taktil, numerisch, lokal, gewalttätig, emotional, temporal etc. So aktivieren etwa Wörter des Bedeutungsclusters sozial (Vater, Mutter, Sohn, Tochter, Kind, Oma, Opa etc.) gehören, unter jenes Gehirnareal, in dem sich die temporalen und parietalen Lappen treffen, oder Wörter des Bedeutungsclusters Körperteil (Lippen, Arm, Fuß, Nacken, Schädel, Bauch, Glied usw.) gehören, überwiegend das Gehirnareal im visuellen Cortex. Als man dann die Daten der Gehirnaktivität beim Lesen und mit denen beim Hören verglich, zeigte sich, dass es für die Bedeutungsverarbeitung der Wörter und Sätze im Gehirn keinen Unterschied macht, ob sie gelesen oder gehört wurden, d. h., die Bedeutungsverarbeitung findet bei beiden Fähigkeiten in den gleichen Gehirnregionen statt. So konnte man eine Landkarte von Wort- und Satzbedeutungen auf dem menschlichen Cortex anfertigen, um damit die Gehirnaktivierungen in bestimmten Gehirnregionen, die die Bedeutung von Wörtern verarbeiten, mit Hilfe von Modellen vorherzusagen zu können. (Stangl, 2021).

In Bezug auf das Lernen von Wörtern werden grundsätzlich zwei Formen des Lernens unterschieden: das intentionale Lernen und das inzidentelle Lernen. Synonym werden in der Fachliteratur auch die Begriffe bewusstes und unbewusstes Lernen verwendet. Unter intentionalem Lernen wird die aktive Bemühung verstanden, etwas zu lernen. Im Hinblick auf das Wortschatzlernen wäre dies das systematische Vokabellernen. Das ist vor allem dem produktiven Wortschatz förderlich. Das inzidentelle Lernen wird auch als unbewusstes oder willkürliches Lernen bezeichnet. Dabei eignet sich der Lerner Kenntnisse an, ohne sich darauf zu konzentrieren. Der Lerner könnte beispielsweise bei einem Gespräch, nebenbei, Wörter lernen. Das inzidentelle Lernen ist insbesondere für den rezeptiven Wortschatz von Bedeutung, Der aktive oder auch produktive Wortschatz stellt stets den kleineren der beiden dar und umfasst jene Wörter, die man als Lernender einer Fremdsprache in seinem Sprechen aktiv benutzen kann, um damit Sätze zu bilden. Der aktive oder produktive Wortschatz ist also jener Wortschatz, den man im täglichen Gebrauch verwendet, wobei man ihn auf durchschnittlich zehn bis fünfzehntausend Wörter schätzt. Es kommt übrigens häufig vor, dass Wörter falsch gelernt werden, z. B. isoliert als Einzelwort; sie werden dann oftmals falsch angewendet. Eine mögliche Lösung ist, den Unterricht textbezogen zu organisieren, da Wörter meist nicht nur eine Bedeutung haben, sondern immer auch in Beziehungen zu anderen Wörtern stehen. Für das Abrufen von Wörtern ist die Kenntnis über diese Beziehungen unabdingbar. Der Lernende muss wissen, wie er die Wörter kombinieren kann.

Der passive oder rezeptive Wortschatz ist stets viel größer, denn zum rezeptiven Wortschatz zählen all jene Wörter, die man verstehen kann, wenn man sie liest oder hört, aber nicht unbedingt selber produzieren kann, wenn man sie benötigt.  Der passive Wortschatz ist also jener Wortschatz, den Menschen einer Sprachgemeinschaft im Allgemeinen verstehen, wobei sich dieser Wortschatz erweitert und verringert, denn wenn man viel liest, insbesondere komplexe Inhalte, erweitert man seinen passiven Wortschatz sehr schnell. So kann der passive Wortschatz bei Deutsch zwischen 10000 und 100000 Wörtern liegen, in Sonderfällen sogar bei mehr, wenn man sich sehr viel mit Sprache beschäftigt. Sprachwissenschaftliche und psychologische Forschungen beschäftigen sich mit der Erweiterung des aktiven Wortschatzes, wobei bei verständlich geschriebenen Texten möglichst viele Begriffe aus dem aktiven Wortschatz stammen sollten. Ein Erwachsener kennt im Schnitt rund vierzigtausend Wörter, die in seinem Gedächtnis wie in einem individuellen, mentalen Lexikon hinterlegt sowie miteinander verknüpft sind, wobei diese Bücher nach einem bestimmten Prinzip geordnet sind. Die Struktur des individuellen Lexikons im Gehirn wird durch die Erfahrungen bestimmt, denn erlebt man, dass bestimmte Dinge in der Umwelt oft miteinander auftreten sowie eine ähnliche Bedeutung haben, dann ordnet das Gehirn diese einander zu. Da aber Menschen verschiedene sowie altersbedingt unterschiedlich viele Erfahrungen gemacht haben, sind sich die mentalen Lexika der Menschen eines Lebensraums zwar sehr ähnlich, aber bei weitem nicht identisch.

Wenn man eine Fremdsprache lernen will, sollte man als Anfängerin oder Anfänger zunächst etwa tausend bis zweitausend Wörter lernen, wobei man mit einem solchen Grundwortschatz der zweitausend wichtigsten Wörter die schon Gespräche in einem femden Land bestreiten kann. Besonders zu Beginn des Erlernens einer Fremdsprache ist es wichtig, beim Erwerb der Vokabeln Erfolge zu erreichen, die motivieren. Dabei sollte man insbesondere zu Beginn darauf Acht geben, dass man vor allem jene Vokabeln und Redewendungen lernt, die man häufig anwenden kann. Dabei sollten man viele Wörter streichen und sich beim Lernen immer wieder fragen, ob man ein Wort oder Redewendung wirklich wissen muss oder ob es vielleicht für die eigenen Bedürfnisse, also etwa für eine Urlaubsreise, keine Rolle spielt. Wenn man sich diese Frage regelmäßig stellt, man man vorwiegend jene Wörter und Wendungen lernen, die man wirklich benötigt.

Den Grundwortschatz einer zu lernenden Sprache findet man etwa auf einem Lernposter oder Vokabelposter, denn diese enthalten den Grundwortschatz aus Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch. Auf diesen Postern finden sich die wichtigsten 1500 Vokabeln, die etwa 70% des englischen, französischen bzw. spanischen Wortschatzes ausmachen.
Sprachposter

Mit einem Klick auf das Bild findet man solche Lernposter!

Siehe dazu in Werner Stangls Lerntipps: http://lerntipps.lerntipp.at/basiswortschatz-fuer-eine-sprache/

Literatur

Bohn, R. (1999). Probleme der Wortschatzarbeit. Berlin: Langenscheidt.
Stangl, W. (2020). Informationsaufnahme und -verarbeitung. [werner stangl]s arbeitsblätter.
WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEDAECHTNIS/Informationsverarbeitung.shtml (20-06-25).




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