Zugewandte Elternschaft bzw. bindungsorientierte Erziehung ist ein Erziehungsansatz, bei dem die emotionale Bindung zwischen Eltern und Kind im Zentrum steht. Ziel ist es, dem Kind durch eine stabile und sichere Beziehung eine gesunde psychische und soziale Entwicklung zu ermöglichen. Zugewandte Elternschaft bzw. bindungsorientierte Erziehung setzt nicht auf Perfektionismus und versucht Kindern nicht unbedingt Grenzen zu setzen, sondern eher eigene Grenzen zu formulieren, d. h., Kommunikation auf Augenhöhe steht dabei im Vordergrund. Dieser Ansatz basiert auf den Erkenntnissen der Bindungstheorie, insbesondere auf den Arbeiten von John Bowlby und Mary Ainsworth. Im Mittelpunkt steht dabei die elterliche Feinfühligkeit – also die Fähigkeit, kindliche Signale wahrzunehmen, richtig zu deuten und prompt sowie angemessen darauf zu reagieren (Ainsworth et al., 1978; Bowlby, 1982). Praktisch zeigt sich bindungsorientierte Erziehung häufig in Verhaltensweisen wie dem Tragen des Kindes, Stillen nach Bedarf, gemeinsamem Schlafen (Co-Sleeping), sowie einem respektvollen und gewaltfreien Umgang mit kindlichen Emotionen. Bestrafung wird durch liebevolle, verständnisvolle Begleitung ersetzt, wobei das Ziel eine starke, vertrauensvolle Beziehung ist, die dem Kind emotionale Sicherheit bietet (Sears & Sears, 2001; Peters, 2016). Langfristig sollen Kinder durch diese Form der Erziehung zu empathischen, selbstbewussten und beziehungsfähigen Menschen heranwachsen.
Zahlreiche empirische Studien haben den Einfluss bindungsorientierter Erziehung auf die kindliche Entwicklung untersucht und belegen, dass eine sichere Bindung zwischen Eltern und Kind positive Auswirkungen auf verschiedene Entwicklungsbereiche hat. Eine Studie von Dindo et al. (2017) zeigte, dass die Bindungssicherheit im Kleinkindalter die schulischen Leistungen im Jugendalter vorhersagen kann. Dabei spielte die Fähigkeit zur Selbstregulation (Effortful Control) eine vermittelnde Rolle. Kinder mit sicherer Bindung entwickelten bessere Selbstregulationsfähigkeiten, was zu besseren schulischen Leistungen führte. Eine Untersuchung von Roskam et al. (2011) fand heraus, dass die Bindung der Eltern an ihre eigenen Eltern das Verhalten ihrer Kinder beeinflussen kann, denn Eltern mit unsicherer Bindung tendierten dazu, kontrollierender zu erziehen, was mit externalisierendem Verhalten bei ihren Kindern verbunden war. Zusätzlich ergab eine Meta-Analyse von Tammilehto et al. (2021), dass sichere Bindung mit elterlicher Sensitivität und unterstützender Autonomie zusammenhängt. Unsichere Bindung war mit weniger elterlicher Sensitivität und Unterstützung verbunden.
Literatur
Ainsworth, M. D. S., Blehar, M. C., Waters, E., & Wall, S. (1978). Patterns of attachment: A psychological study of the strange situation. Hillsdale, NJ: Erlbaum.
Bowlby, J. (1982). Attachment and loss: Vol. 1. Attachment (2nd ed.). New York: Basic Books.
Dindo, L., Brock, R. L., Aksan, N., Gamez, W., Kochanska, G., & Clark, L. A. (2017). Attachment and effortful control in toddlerhood predict academic achievement over a decade later. Psychological Science, 28(12), 1786–1795.
Peters, F. (2016). Einfühlsame Erziehung: Wie Kinder und Eltern gemeinsam wachsen können. München: Kösel.<
Roskam, I., Meunier, J.-C., & Stievenart, M. (2011). Parent attachment, childrearing behavior, and child attachment: Mediated effects predicting preschoolers‘ externalizing behavior. Journal of Applied Developmental Psychology, 32(4), 170–179.
Sears, W., & Sears, M. (2001). The Attachment Parenting Book: A Commonsense Guide to Understanding and Nurturing Your Baby. Boston: Little, Brown.
Tammilehto, J., Punamäki, R.-L., Flykt, M., Vänskä, M., Heikkilä, L. M., Lipsanen, J., Poikkeus, P., Tiitinen, A., Lindblom, J., & Kalland, M. (2021). Parent–child attachment: Meta-analysis of associations with parenting behaviors in middle childhood and adolescence. Frontiers in Psychology, 12, doi:10.3389/fpsyg.2021.582770
Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl ::: Psychologische Neuigkeiten für Pädagogen :::