Die Mitbestimmung von Kindern in schulischen Kontexten gilt als zentrales Element einer demokratischen Bildung und ist zugleich ein Kernelement der Kinderrechte. Dennoch zeigen aktuelle Studien, dass Kinder im Schulalltag nur begrenzte Möglichkeiten zur Mitgestaltung wahrnehmen – vor allem in organisatorischen, weniger in unterrichtlichen Belangen. Die Rolle der wahrgenommenen Unterrichtsqualität in diesem Zusammenhang ist bislang kaum untersucht worden. Eine neue Studie von Gerbeshi (2025) liefert nun empirische Befunde zur Relevanz eines unterstützenden Klimas und des Klassenmanagements für das Mitbestimmungserleben von Drittklässler:innen.
In der Untersuchung wurden 472 Schülerinnen und Schüler aus 28 dritten Klassen mittels eines Fragebogens befragt. Mithilfe von Mehrebenenanalysen wurde geprüft, wie sich wahrgenommene Unterrichtsmerkmale auf das Erleben von Mitbestimmung auswirken. Neben Merkmalen auf Klassenebene – insbesondere unterstützendes Klima, Klassenmanagement und Klassengröße – wurden auf individueller Ebene auch Geschlecht, Migrationshintergrund, erlebte Selbstbestimmung sowie der Wunsch nach Mitbestimmung berücksichtigt.
Die Ergebnisse zeigten, dass ein unterstützendes Klassenklima einen signifikanten Einfluss auf die wahrgenommene Mitbestimmung im organisatorischen Bereich hat – etwa bei Entscheidungen über Klassendienste oder Sitzordnungen. In Bezug auf unterrichtliche Inhalte oder Methoden zeigte sich jedoch kein signifikanter Zusammenhang. Klassenmanagement – etwa klare Regeln oder konsequentes Verhalten der Lehrperson – erwies sich überraschenderweise als kein bedeutsamer Prädiktor für das Mitbestimmungserleben. Vielmehr spielt die individuelle Wahrnehmung von Selbstbestimmung eine entscheidende Rolle, denn Kinder, die sich grundsätzlich als selbstbestimmt erleben, berichten auch von stärkerer Mitbestimmung im Schulalltag. Ebenso interessant ist der Befund, dass Kinder mit Migrationshintergrund signifikant mehr Mitbestimmung wahrnehmen als Kinder ohne entsprechenden Hintergrund – ein Ergebnis, das auf differenzierte schulische oder familiäre Erfahrungen mit Partizipation hindeuten könnte.
Die Studie verdeutlicht, dass sich wahrgenommene Mitbestimmung nicht allein aus konkreten Beteiligungsangeboten ableitet, sondern wesentlich von der pädagogischen Beziehungsgestaltung und dem erlebten Klima im Klassenraum abhängt. Lehrkräfte sollten daher verstärkt auf ein unterstützendes, wertschätzendes Miteinander achten und gezielt Räume für Austausch schaffen – gerade in organisatorischen Fragen. Eine stärkere Verschränkung von Unterrichtsqualität und Partizipationskultur scheint dabei notwendig, um Mitbestimmung langfristig zu fördern und Kinder als aktive Subjekte im Lernprozess ernst zu nehmen.
Literatur
Gerbeshi, L. (2025). Effect of perceived teaching quality on the perceived co-determination of primary school children. Cogent Education, 12(1), doi:10.1080/2331186X.2025.2521155
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