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Neuromythen über das Lernen

Sprache lernen im Vorübergehen! Lernposter

Es existieren einige weit verbreitete Neuromythen über das Lernen, die sich nachteilig auf den Unterricht und das Lernen auswirken können. Dies ist darauf zurückzuführen, dass falsche Vorstellungen von den Funktionen des Gehirns einen Einfluss auf die didaktischen Methoden haben und der Forderung nach einem evidenzbasierten Unterricht widersprechen. Ein Großteil dieser Neuromythen wird von Generation zu Generation innerhalb des Lehrkörpers sowie auch unter Eltern weitergetragen.

Ein Mythos besagt, dass die linke Hirnhälfte für analytisches, verbales und rationales Denken zuständig ist, während die rechte Hälfte für Kreativität, Intuition und nichtverbale Prozesse verantwortlich ist. Das Schulsystem würde demnach zu einseitig auf die linke Hirnhälfte fokussieren. Die wissenschaftliche Evidenz zeigt aber, dass sich die beiden Hirnhälften in ihrer Struktur und Funktion unterscheiden. Bei allen für das Lernen relevanten Aufgaben sind aber Areale beider Hirnhälften involviert, die zudem über den Balken (Corpus callosum) mit einem Strang von 250 Millionen Nervenzellen verbunden sind und eine ständige Kommunikation aufrechterhalten. So werden beispielsweise das Erkennen der Sprachmelodie oder das Lesen zwischen den Zeilen in der „nonverbalen“ rechten Hirnhälfte verarbeitet.

Ein weiterer Mythos besagt, dass das Alter von 0 bis 3 Jahren ein kritisches Zeitfenster darstellt, nach dessen Ablauf bestimmte Lernprozesse nicht mehr möglich sind. Daher ist es empfehlenswert, dass Kleinkinder möglichst vielfältige und hochwertige Reize erhalten, beispielsweise durch das Hören von klassischer Musik. Die wissenschaftliche Evidenz belegt zwar, dass es sensible Phasen gibt, in denen spezifische Dinge (beispielsweise der Spracherwerb oder die Verarbeitung visueller Signale) von den zuständigen Hirnarealen schneller erlernt werden. Eine vollständige Abwesenheit von Anregungen kann sogar zu irreversiblen Schäden führen. Die Plastizität des Gehirns, d. h. die Fähigkeit, neue Nervenverbindungen zu bilden, ist jedoch ein lebenslanger Prozess. Zudem wird der Lernprozess nicht durch die Art der Reize selbst determiniert, sondern durch deren Verarbeitung. Dieser Prozess ist nicht kontrollierbar.

Es besteht die Annahme, dass die Nutzung des menschlichen Gehirns durch Hirnbildern auf lediglich zehn Prozent der gesamten Hirnkapazität quantifiziert werden kann. Daher ist es empfehlenswert, die Denkkapazität durch bewusstseinsfördernde Substanzen, Meditation oder Hirntraining zu erweitern. Die wissenschaftliche Evidenz widerlegt auch diese Annahme, indem bei allen Aufgabenbereichen jederzeit alle Areale in die direkte Verarbeitung der Prozesse involviert sind. Demgemäß sind die anderen Areale nicht ungenutzt. Selbst wenn diese Areale in den bildgebenden Verfahren eine geringe Aktivität aufweisen, befinden sie sich in einem Art Stand-by-Modus mit einer konstanten Grundaktivität.

Vor dem Erlernen einer zweiten Sprache sollte die Beherrschung der Muttersprache als abgeschlossen betrachtet werden, da ansonsten ein Durcheinander der beiden Sprachen im Gehirn zu befürchten ist, welches sich nachteilig auf die Entwicklung des Kindes auswirken kann. Die wissenschaftliche Evidenz belegt jedoch, dass der Mensch dank der Flexibilität seines Gehirns eine hohe Fähigkeit aufweist, verschiedene Sprachen gleichzeitig zu erwerben. Diesbezüglich zeigen Studien, dass zweisprachige Kinder die allgemeine Struktur von Sprachen besser verstehen und auch besser anwenden können.




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