Um die Gedächtnisleistung von Kindern zu entwickeln bedarf es verschiedener Determinanten. Dazu zählen die Gedächtniskapazität, das Metagedächtnis, das bereichsspezifische Vorwissen und vor allem der Einsatz von Strategien, der in dieser Studie näher untersucht wird. Die wichtigsten Strategien sind die Organisationsstrategie, und die Wiederholungsstrategie. Die Organisationsstrategie beschreibt die Fähigkeit, sich Dinge zu merken indem man sie in semantische Klassen einteilt. Wiederholungsstrategie ist ein Sammelbegriff für diverse Aktivitäten, wie das einfache Benennen von Objekten, das singuläre Wiederholen und das kumulative Wiederholen (vgl. Hünnerkopf et al., 2009, S. 2).
Im Übergang vom nicht strategischen zum strategischen Verhalten gibt es verschiedene Phasen. Die Phase des Mediationsdefizits bezeichnet die Zeit in der Kinder weder spontane Strategien produzieren können noch von gezeigten Strategien profitieren. Beim Produktionsdefizit kann eine Strategie zwar nicht spontan, aber nach entsprechenden Anweisungen eingesetzt werden (vgl. Flavell, 1979, zitiert nach Hünnerkopf et al., 2009, S. 2). Wenn eine erste spontane Strategieanwendung nicht zu einer Leistungssteigerung führt, spricht man von der Phase des Nutzungsdefizits (vgl. Miller, 1990, 1994, zitiert nach Hünnerkopf et al., 2009, S. 2).
Die Würzburger Längsschnittstudie
Bei dieser Studie wurden 102 Kinder, vom letzten Kindergartenjahr bis zum Ende der vierten Klasse einer Würzburger Grundschule, einem Test unterzogen um die Entwicklung des strategischen Gedächtnisses zu untersuchen. Die Studie wurde von 2001 bis 2005 durchgeführt und ihr Hauptziel war, die individuellen Unterschiede in der Gedächtnisentwicklung der verschiedenen Kinder zu zeigen. Die Kinder mussten sich im Abstand von 6 Monate diversen Aufgaben unterziehen, um das sprachgebundene Gedächtnis zu erforschen. Hauptaugenmerk wurde dabei auf die Sort-Recall-Aufgabe und auf die Serial Learning-Free-Recall-Aufgabe gelegt. Mit diesen beiden Aufgaben können die Entwicklung der Organisationsstrategie und der Wiederholungsstrategie beobachtet werden (vgl. Hünnerkopf et al., 2009, S. 4).
Bei der Sort-Recall-Aufgabe (Organisationsstrategie) wurde untersucht, ob und ab wann Kinder in der Lage sind Begriffe durch semantisches Organisieren zu Oberbegriffen zusammen zu fassen. Jedes Kind wurde mit 2 Listen mit jeweils 20 Begriffen (die sich in 5 Kategorien unterteilen ließen) konfrontiert und dem Kind wurde die Instruktion gegeben, dass es alles tun konnte, was es zum Einprägen der Begriffe für hilfreich und sinnvoll befände. Nach 3 Minuten Lernzeit wurde dem Kind noch eine 30-sekündige Distraktionsaufgabe gestellt um das Kurzzeitgedächtnis zu löschen, danach musste das Kind die Begriffe reproduzieren (vgl. Hünnerkopf et al., 2009, S. 4).
Bei der Serial Learning-Free-Recall-Aufgabe (Wiederholungsstrategie) mussten seriell dargebotene Begriffe gelernt und anschließend frei wiedergegeben werden. Den Kindern wurden 3 Listen mit jeweils 12 nicht kategorisierbaren Begriffen vorgelegt. Sie hatten pro Begriff 8 Sekunden Zeit und wurden instruiert, sich so viele wie möglich zu merken um sie später zu wiederholen. Bei dieser Aufgabe wurde unterschieden ob sich die Kinder die Begriffe durch einmalig Nennung, durch singuläres Wiederholen oder durch kumulatives Wiederholen einprägten (vgl. Hünnerkopf et al., 2009, S. 5).
Wie erwartet zeigen die Ergebnisse der Sort-Recall-Aufgabe und der Serial Learning-Free-Recall-Aufgabe, dass das strategische Verhalten und die Abrufleistung im Laufe der Grundschulzeit ständig zunehmen. Durch den Gebrauch von Strategien verbessert sich auch die Gedächtnisleistung was sich auch auf die Abrufleistung auswirkt. Bei der Sort-Recall-Aufgabe konnte beobachtet werden, dass die Kinder zu Beginn so gut wie kein strategisches Verhalten zeigten. Ab der zweiten Klasse wurde das erworbene Verhalten von fast der Hälfte wieder verloren, und am Ende der Studie, also am Ende der 4. Klasse wurde zwar nicht mehr so viel strategisches Verhalten erworben, aber dafür wurde es von fast allen Kindern behalten. Die Serial Learning-Free-Recall-Aufgabe wurde erst am Ende der 1. Klasse zum ersten Mal durchgeführt. Es zeigt sich, dass zu Beginn nicht ganz die Hälfte der Kinder gar keine Strategie zeigte aber am Ende fast jedes Kind irgendeine Strategie aufweisen konnte. Einmalige Nennungen verminderten sich mit zunehmenden Alter, und gleichzeitig stiegen singuläres und kumulatives Wiederholen (vgl. Hünnerkopf et al., 2009, S. 7).
Des Weiteren wurde analysiert, welche Kinder gar keine Strategie erwerben konnten, wie viele der Kinder Einfachstrategen sind und wie viele Doppelstrategen sich entwickelt haben. Die Doppelstrategen sind den Nichtstrategen deutlich überlegen. Doch die Einfachstrategen werden von den Doppelstrategen nur in einer Aufgabe, der Abrufleistung der Sort-Recall-Aufgabe überragt (vgl. Hünnerkopf et al., 2009, S. 9).
Literatur
Hünnerkopf, M., Kron-Sperl, V. & Schneider, W. (2009). Die Entwicklung des strategischen Gedächtnisses im Laufe der Grundschulzeit. Zusammenfassende Ergebnisse der Würzburger Längsschnittstudie. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 41 (1), 1 – 11.
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