Eltern spielen eine zentrale Rolle im Lernprozess ihrer Kinder – sowohl als emotionale Stütze als auch als strukturelle Hilfe im Alltag. Doch gut gemeinte Unterstützung kann schnell in Druck umschlagen oder ungewollt die Selbstständigkeit des Kindes untergraben. Aus lernpsychologischer Sicht ist vor allem die Förderung von Autonomie, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit zentral – die drei Grundbedürfnisse nach Deci und Ryan (2000), die laut Selbstbestimmungstheorie Motivation und Lernfreude nachhaltig beeinflussen. Eltern, die ihrem Kind ermöglichen, eigene Lernwege zu erkunden, statt diese strikt vorzugeben, fördern langfristig nicht nur schulischen Erfolg, sondern auch Selbstvertrauen und intrinsische Motivation (Ryan & Deci, 2000).
Ein häufiger Fehler besteht darin, Lernen mit Kontrolle zu verwechseln: ständiges Nachfragen, ob das Kind „endlich angefangen“ habe, engmaschiges Kontrollieren der Hausaufgaben oder sogar das Erledigen der Aufgaben durch die Eltern selbst. Solches Verhalten wirkt demotivierend und vermittelt dem Kind, dass es allein nicht kompetent genug sei – was dem Grundbedürfnis nach Selbstwirksamkeit widerspricht (Bandura, 1997). Studien zeigen, dass übermäßige Kontrolle mit erhöhtem Stress, geringerer Motivation und schlechteren Leistungen einhergeht (Pomerantz et al., 2007). Sinnvoller ist es, gemeinsam Lernstrukturen zu entwickeln – etwa feste Zeiten, realistische Etappenziele oder eine ruhige Arbeitsumgebung – und dann schrittweise Verantwortung an das Kind zu übergeben.
Auch Lob sollte differenziert eingesetzt werden. Ein häufiges „Super, du bist so schlau!“ mag kurzfristig motivieren, kann aber langfristig dazu führen, dass Kinder Misserfolge als persönlichen Makel deuten und sich Herausforderungen eher entziehen (Dweck, 2006). Zielführender ist es, Anstrengung und Strategie zu loben – also zum Beispiel: „Du hast wirklich drangeblieben, obwohl es schwer war.“ So entsteht ein sogenanntes dynamisches Selbstbild, bei dem Lernfortschritt als Ergebnis von Übung verstanden wird, nicht als Ausdruck fester Begabung.
Eltern können also viel tun, um das Lernen ihrer Kinder zu unterstützen – allerdings weniger durch direkte Einflussnahme als durch ein Klima der Ermutigung, Verlässlichkeit und der respektvollen Begleitung. Dazu gehört auch, Frustration zuzulassen und nicht jeden Stolperstein aus dem Weg zu räumen. Denn wie Vygotsky (1978) betonte, lernen Kinder am besten in der Zone der nächsten Entwicklung – also dort, wo sie noch nicht alles allein können, aber mit Unterstützung wachsen können. Dabei ist die elterliche Rolle nicht die der Lehrkraft, sondern eher die eines verständnisvollen Coaches, der dem Kind den Raum gibt, eigene Lernwege zu finden und daran zu reifen.
Literatur
Bandura, A. (1997). Self-efficacy: The exercise of control. New York: Freeman.
Deci, E. L., & Ryan, R. M. (2000). The „what“ and „why“ of goal pursuits: Human needs and the self-determination of behavior. Psychological Inquiry, 11(4), 227–268.
Dweck, C. S. (2006). Mindset: The new psychology of success. New York: Random House.
Pomerantz, E. M., Moorman, E. A., & Litwack, S. D. (2007). The how, whom, and why of parents’ involvement in children’s academic lives: More is not always better. Review of Educational Research, 77(3), 373–410.
Stangl, W. (2005, 14. Juni). Lerntipps für Eltern. Aus den Tipps für Eltern!
https://eltern.lerntipp.at/tipps.shtml.
Vygotsky, L. S. (1978). Mind in society: The development of higher psychological processes. Cambridge, MA: Harvard University Press
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