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Mit Bildern denken: Wie Sketchnotes, Flipcharts und Graphic Recording Wissen sichtbar und merkfähig machen

Sprache lernen im Vorübergehen! Lernposter

Sketchnotes, Flipcharts und Graphic Recording sind visuelle Methoden der Informationsvermittlung, die in Bildung, Wirtschaft und Kommunikation zunehmend an Bedeutung gewinnen. Ihr Ziel ist es, Inhalte verständlicher und zugleich einprägsamer zu gestalten. Die Grundlage dieser Methoden liegt in der Kombination aus Sprache und Bild, was die Art und Weise der menschlichen Informationsverarbeitung gezielt unterstützt. Visuelle Aufzeichnungen aktivieren nicht nur das Gedächtnis, sondern fördern auch die Konzentration, das Verständnis und den kreativen Denkprozess.

Sketchnotes – also visuelle Notizen – werden häufig individuell erstellt, etwa beim Zuhören eines Vortrags oder beim Lesen eines Textes. Durch einfache Zeichnungen, Schlagworte und Symbole entsteht eine bildhafte Zusammenfassung, die das Wesentliche auf kreative Weise abbildet. Flipcharts hingegen dienen vor allem in Gruppenprozessen der Visualisierung zentraler Inhalte. Sie strukturieren Diskussionen, helfen bei der Moderation und machen Ergebnisse auf einen Blick sichtbar. Graphic Recording ist die hohe Kunst des Live-Zeichnens: Inhalte werden in Echtzeit visualisiert, etwa bei Konferenzen, Workshops oder Veranstaltungen. Dabei entstehen großformatige Bilder, die den Verlauf des Gesprächs dokumentieren und gleichzeitig neue Impulse setzen können.

Die Wirksamkeit dieser Methoden lässt sich mit der Theorie der dualen Codierung von Allan Paivio (1986) erklären. Informationen, die sowohl verbal als auch visuell vermittelt werden, aktivieren zwei unterschiedliche Verarbeitungskanäle im Gehirn. Dadurch steigt die Chance, dass diese Informationen tiefer verarbeitet und langfristig im Gedächtnis verankert werden. Die Erkenntnisse von Richard E. Mayer (2005), einem führenden Forscher im Bereich des multimedialen Lernens, stützen diese Annahme: Lerninhalte werden dann am besten verstanden, wenn Text und Bild sinnvoll kombiniert werden – nicht nebeneinander, sondern miteinander verwoben. Visuelle Methoden bieten genau diese Möglichkeit der sinnstiftenden Kombination.

Darüber hinaus belegen Studien, dass das aktive Erstellen von Sketchnotes die Informationsverarbeitung noch weiter fördert. Die „Generation Effect“-Forschung (Slamecka & Graf, 1978) zeigt, dass selbst generierte Inhalte – im Gegensatz zu bloß konsumierten – besser behalten werden. Das Visualisieren zwingt die Erstellenden zur aktiven Auseinandersetzung mit den Inhalten: Sie müssen das Gehörte oder Gelesene verdichten, priorisieren und in eine passende visuelle Form bringen. Dieser kognitive Aufwand erhöht die mentale Verarbeitungstiefe und somit das Verständnis.

Im beruflichen Alltag haben sich Flipcharts und Graphic Recording bewährt, um komplexe Sachverhalte anschaulich darzustellen und die Beteiligung von Teams zu fördern. Der visuelle Zugang zu Informationen erleichtert nicht nur das Verständnis, sondern unterstützt auch die Zusammenarbeit, indem er einen gemeinsamen Bezugsrahmen schafft. Der schweizerische Informationswissenschaftler Martin J. Eppler hebt in seinen Arbeiten hervor, dass visuelle Kommunikation besonders in interdisziplinären Gruppen hilft, Missverständnisse zu vermeiden und kollektives Wissen sichtbar zu machen (Eppler & Platts, 2009). Gerade in Workshops oder Veränderungsprozessen kann ein visuelles Protokoll wie ein Graphic Recording Emotionen einfangen, Diskussionen strukturieren und das Gesagte nachhaltig festhalten.

Im Bildungskontext berichten Lehrkräfte und Trainer*innen zunehmend über positive Effekte visueller Methoden. Insbesondere Lernende mit unterschiedlichen sprachlichen oder kognitiven Voraussetzungen profitieren davon, wenn Lernstoff durch Bilder, Farben und einfache Darstellungen ergänzt wird. Studien aus dem deutschsprachigen Raum, etwa von Maier (2016), zeigen, dass die Kombination aus Text und Bild vor allem in heterogenen Lerngruppen zu besseren Lernergebnissen führt. Auch das Format der „Visualisierung auf dem Flipchart“ wird in der Erwachsenenbildung als wirksames Mittel geschätzt, da es Inhalte greifbar macht und die Beteiligung der Lernenden stärkt (Ries & Ulrich, 2015).

Ein nicht zu unterschätzender Aspekt ist die emotionale und kreative Dimension visueller Methoden. Zeichnungen, Metaphern und Farben sprechen nicht nur den Verstand, sondern auch das Gefühl an. Sie machen Inhalte nicht nur verständlich, sondern auch erlebbar. Der Visualisierungsexperte Dan Roam (2009) betont, dass durch Bilder neue Perspektiven entstehen können, die mit rein textlichen Mitteln nicht erreichbar wären. Bilder ermöglichen eine intuitive Erfassung von Zusammenhängen und fördern kreative Denkprozesse, die gerade in komplexen oder konfliktbehafteten Situationen hilfreich sein können.



Literatur

Eppler, M. J., & Platts, K. W. (2009). Visual Strategizing: The Systematic Use of Visualization in the Strategic-Planning Process. Journal of Business Strategy, 30(4), 42–51.
Maier, U. (2016). Visualisieren in der Erwachsenenbildung: Grundlagen, Methoden, Anwendungen. W. Bertelsmann Verlag.
Mayer, R. E. (2005). The Cambridge Handbook of Multimedia Learning. Cambridge University Press.
Paivio, A. (1986). Mental representations: A dual coding approach. Oxford University Press.
Ries, S., & Ulrich, A. (2015). Flipcharts gestalten – professionell und kreativ visualisieren. Beltz Verlag.
Roam, D. (2009). Auf der Serviette erklärt: Die fünf entscheidenden Fragen für erfolgreiche Visualisierung. Gabal Verlag.
Slamecka, N. J., & Graf, P. (1978). The Generation Effect: Delineation of a Phenomenon. Journal of Experimental Psychology: Human Learning and Memory, 4(6), 592–604. https://doi.org/10.1037/0278-7393.4.6.592


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