Hochbegabte Kinder findet man in vielen Erscheinungsformen, also unter den lauten und unter den scheuen, unter den braven und unter den anstrengenden Kindern einer Schulklasse und vor allem findet man gleich viele unter den Mädchen wie unter den Buben. Hochbegabung ist eine Befähigung zu besonders effektiven Denkprozessen, zu einem Potenzial für das Erzielen hoher Leistungen, doch braucht es zur Realisierung dieser Anlage das Zusammenspiel der Befähigung, der Person selbst und der Umwelt. Die Leistungsfähigkeit von Hochbegabten ist daher wie bei allen Begabungen das Zusammenspiel zwischen bestimmten intellektuellen Fähigkeiten, Motivation und Kreativität, was sich vor dem Hintergrund und dem Einfluss von Familie, Freundeskreis und Schule entwickelt.
Lange Zeit gab es zwei Extremvorstellungen von Hochbegabung: Hochbegabte setzen sich schon durch, sie benötigen keinerlei Förderung und für Hochbegabte sind ihre Fähigkeiten eine Form von Behinderung. Heute geht man davon aus, dass es einfach Kinder mit einer speziellen Befähigung sind und intellektuelle Bewegung brauchen, um sich wohl zu fühlen.
Der Wortschatz hochbegabter Kinder ist sowohl im Umfang als auch in der Qualität für ihr Alter meist ungewöhnlich, denn sie können sich flüssig und differenziert ausdrücken. Informationen, die sie zum ersten Mal hören, werden rasch in ihren Wissensschatz eingeordnet und gespeichert, wobei sie rasch Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge schnell erkennen und nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden suchen. Als gute Beobachter entgeht ihnen kaum etwas, d. h., wenn sie über ihre Erfahrungen und ihr Wissen berichten, lässt sich meist erkennen, dass sie kritisch und unabhängig denken. Hochbegabte Kinder gehen oft in bestimmten Tätigkeiten völlig auf und sind dann in einer Art Flow. Auch wollen sie sich mit ihrem Interessensgebiet eingehend und umfassend beschäftigen, was auf die Umwelt wie Besessenheit wirken kann, d. h., sie bemühen sich, interessante Aufgaben vollständig zu lösen, während sie bei Routinetätigkeiten dagegen rasch gelangweilt sind und diese oft nicht zu Ende führen.
Hochbegabung und Persönlichkeit
Einige Forschungsarbeiten haben die Big-Five-Persönlichkeitsdimensionen (Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus, Offenheit) bei Hochbegabten (Menschen mit einem IQ über dem Wert von 130) untersucht, doch diese Einzelstudien lieferten keine schlüssigen Ergebnisse. Ogurlu & Özbey (2021) haben in einer Meta-Analyse die Art der Beziehung zwischen den Big-Five-Dimensionen und der Hochbegabung bei Einzelpersonen untersucht. In den Analysen verwendete man über achtzig Effektgrößen aus dreizehn veröffentlichten Studien, wobei sich zeigte, dass es einen einzigen signifikanten Unterschied zwischen begabten und nicht begabten Teilnehmern in Bezug auf die Offenheit für Erfahrungen zugunsten der begabten Personen gab (g = .473, p = . 005, 95% CI). Es gab jedoch keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Neurotizismus. Damit hat man dem großen Vorurteil aufgeräumt, dass sich etwa Hochbegabte nicht gut in Gruppen integrieren können oder häufig etwas seltsam wirken. Demnach fällt es Hochbegabten leicht, neue Perspektiven einzunehmen, wobei diese Offenheit für neue Erfahrungen auch mit intellektueller Neugier einhergeht, einem Gefühl für Kunst, Kreativität und einer liberalen politischen Einstellung.
Literatur
Ogurlu, Uzeyir & Özbey, Adnan (2021). Personality differences in gifted versus non-gifted individuals: A three-level meta-analysis. High Ability Studies, 1-25.
Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl ::: Psychologische Neuigkeiten für Pädagogen :::